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Winters Herz: Roman (German Edition)

Winters Herz: Roman (German Edition)

Titel: Winters Herz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Littlewood
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verletzt, muss nicht ins Krankenhaus. Und er hatte einen neuen Freund gewonnen. Seine Stimme hatte glücklich geklungen. Ben gewöhnte sich rasch ein und hatte ein richtiges Zuhause, in dem er Wurzeln schlagen konnte   – war das nicht von Anfang an der Plan gewesen?

Kapitel 9
    Cass war so in ihre Bildschirmarbeit vertieft, dass sie erst nicht wusste, ob sie wirklich etwas gehört hatte, als sie ein Klopfen vernahm. Sie hob den Kopf und wartete; dann wiederholte sich das Geräusch. Cass stand auf und fragte sich, ob sie endlich ihren geheimnisvollen Nachbarn kennenlernen würde. Sie ging zur Wohnungstür, dachte im letzten Augenblick daran, dass sie in einem weitgehend leeren Haus allein war, und sah durch den Spion. Draußen stand ein Mann in einem dunklen Wintermantel. Sie konnte nur erkennen, dass er Schneeflocken auf den Schultern hatte, als er nochmals anklopfte, fast so als wisse er, dass sie hinter der Tür stand. Sie streckte automatisch die Hand aus und öffnete die Wohnungstür.
    Der Besucher war Mr. Remick. Cass blinzelte ihn an. Ben . »Gibt’s irgendein Problem?«, stieß sie hervor. Sie musste die Tage verwechselt haben   – Sally hatte angerufen, um ihr zu sagen, dass Ben morgen bei ihr sein würde, nicht heute, und Cass hätte ihn doch von der Schule abholen müssen. Aber wo war er, wenn diese Vermutung zutraf? Sie sah um Mr. Remick herum und erwartete beinahe, dort Ben stehen zu sehen: verloren und unglücklich, weil seine Mutter ihn nicht abgeholt hatte.
    Stattdessen sah sie, dass Mr. Remick etwas unter den Arm geklemmt trug. »Kein Problem«, sagte er. »Ich dachte nur   … Na ja, Sie sind gerade erst eingezogen, und Sally hat erwähnt, dass Ben nach dem Unterricht mit zu ihr kommen würde, daher   …«
    Errötete er etwa? Er brachte den Satz nicht zu Ende, sondern streckte ihr hin, was er mitgebracht hatte. Cass blinzelte erstaunt. Es war ein Laib Brot in einer Papiertüte.
    »Ich dachte, Sie würden sich vielleicht einsam fühlen. Und ich weiß, wie’s hierzulande ist, wenn der erste Schnee kommt   – frisches Brot ist die neue Währung.« Er grinste.
    Cass nahm es entgegen. »Sehr aufmerksam von Ihnen. Vielen Dank.« Sie ging in die Küche voraus. »Sie müssen schnell gewesen sein. Ich hab heute Morgen einzukaufen versucht und dachte schon, wir würden von Frühstücksfleisch in Dosen leben müssen.«
    »Hier geht’s tatsächlich ums Überleben. Aber ich war ehrlich gesagt nicht ganz so schnell. Mrs. Bentley aus dem Laden hat was für mich übrig, glaube ich. Sie hält manche Sachen für besondere Kunden zurück.«
    »Schön für Sie.« Cass lachte. Es tat ihr gut, nur zu reden und zu lachen. Sie fühlte sich fast wieder wie in Aldershot: von alten Freunden umgeben, die nicht fürchteten, ihr Verlust könnte auch sie irgendwie belasten.
    »Ach, ich weiß nicht. Mir macht ein bisschen Sorge, dass sie vielleicht was dafür will.« Auch er lachte, dass seine blauen Augen blitzten, und Cass stellte sich plötzlich vor, wie die mürrische Mrs. Bentley ihre schmalen Lippen spitzte und die Augen schloss.
    Sie hatte Mühe, ein Grinsen zu unterdrücken. »Kaffee?«
    »Wenn er nicht rationiert ist.«
    »Ich komme zurecht, denke ich.«
    »Nach dem heutigen Tag kann ich einen brauchen. Diese Kinder   … So energiegeladen.«
    »Das mit den Schneemännern war eine tolle Idee, finde ich.« Cass erinnerte sich, dass er seinen Schal für Bens Schneemann hergegeben hatte. Er trug ihn auch jetzt nicht, und sie fragte sich, ob er noch immer   – durchweicht und steif gefroren   – draußen auf dem Sportplatz war.
    »Reiner Egoismus.« Er trank einen kleinen Schluck Kaffee. »Das ist eine gute Methode, die Kinder kennenzulernen. UndNeuen die Chance zu geben, sich einzugewöhnen.« Das Lächeln verblasste. »Tatsächlich überlege ich, ob ich Sie etwas fragen dürfte.«
    »Was denn?«
    Er seufzte. »Ich mache mir ein bisschen Sorgen. Vermutlich grundlos, aber   … Nun, Sie haben gesehen, dass wir den Kindern heute alle möglichen abwechslungsreichen Tätigkeiten angeboten haben. Das ist nur fair, wenn die Hälfte ihrer Klassenkameraden beim Schlittenfahren ist. Heute haben wir also gezeichnet.« Er zog etwas aus der Innentasche seiner Jacke, ein Stück Papier.
    Als er es auseinanderfaltete, sah Cass ausdrucksstarke Primärfarben: Sonnengelb, Himmelblau, Feuerrot. Wollte er darauf hinaus, dass Ben ein Problem hatte? Das Bild wirkte bunt und heiter. Sie hatte irgendwo gelesen, dass unglückliche

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