Winters Herz: Roman (German Edition)
vergrub sich in der Decke.
Cass beobachtete ihn noch eine Zeit lang, dann ging sie zur Wohnungstür, sperrte ab und ließ auch den Sicherungsriegel laut einschnappen. So würde sie es wenigstens hören, wenn Ben beschloss, einen weiteren nächtlichen Ausflug zu unternehmen.
Danach saß sie lange auf der Bettkante und blickte auf ihre zitternden Hände hinab.
»Lasset sie kommen«, sagte sie zuletzt. »Lasset die Kindlein zu mir kommen.«
Sie schlüpfte unter die Bettdecke, ließ den Kopf auf ihr Kissen sinken und versuchte vergeblich, Schlaf zu finden.
Kapitel 16
Lautes Klopfen riss Cass aus dem Schlaf. Das durch die Vorhänge dringende Tageslicht zeigte ihr, dass es schon später Morgen war – viel später, als sie für gewöhnlich aufstand. Als sie aufsprang und in die Diele lief, sah sie Ben, der schon angezogen war, den Sicherungsriegel zurückziehen und die Tür öffnen.
Draußen stand Mr. Remick mit einem Brot und der Schachtel Eier, die er am Vorabend erwähnt hatte. »Ich komme zu früh. Sorry.«
Cass fuhr sich mit einer Hand durchs Haar, blieb mit den Fingern in einer verfilzten Locke hängen. »Nein, das liegt an mir. Ich bin heute so spät dran.« Sie war noch im Nachthemd. »Ben, bitte geh mit Mr. Remick in die Küche. Ich komme gleich nach.«
Sie verschwand in ihrem Zimmer, zog hastig Jeans und einen Pulli an, kämmte ihr Haar vor dem Spiegel durch. Als sie wieder herauskam, hörte sie den Wasserkocher brodeln.
Mr. Remick und Ben saßen am Küchentisch, schwatzten gesellig miteinander. Mr. Remick sah auf und lächelte. »Da ist deine Mom«, sagte er.
Ben blickte auf, ohne etwas zu sagen. Seine Mundwinkel zuckten; er war noch immer blass.
»Wir haben verschlafen«, sagte Cass. »Na ja, zumindest ich.«
»Und warum nicht? Ich hätte euch nicht an einem Samstagmorgen stören dürfen. Ich habe nur vergessen, dir das hier mitzugeben.«
Sie betrachtete das Brot und die Eier. »Soll ich uns ein Frühstück machen?« Ihr Blick fiel auf die Konservendosen und die leeren Packungen auf der Arbeitsplatte. »Wir haben unsere Vorräte sortiert.«
»Mir scheint, es war keine schlechte Idee, euch die Eier zu bringen.«
Cass begutachtete die verbliebenen Lebensmittel. »Ja, das stimmt. Das stimmt wirklich. Danke, Theo. Das war sehr nett von dir.«
Sie trat an die Arbeitsfläche, berührte die Becher, die er hingestellt haben musste, öffnete einen Hängeschrank und merkte, dass es der falsche war.
»Lass mich das machen.« Theo stand zwischen Ben und Cass, legte ihr eine Hand auf den Arm. »Das tue ich gern. Willst du dich nicht ein bisschen hinsetzen? Ich bringe dir einen Kaffee.« Während er sprach, schaltete der Wasserkocher sich aus.
Cass nickte und sank auf den Stuhl neben Ben. Sie beugte sich zu ihm hinüber, gab ihm einen Kuss aufs Haar. Sie konnte Staub in seinem Haar riechen, spürte Fett auf den Lippen. Was musste Theo von ihr denken?
»Nach dem Frühstück könnten wir vielleicht einen Spaziergang machen«, schlug er vor.
Ben rutschte ungeduldig hin und her, trug schon ein breites Grinsen zur Schau.
Sie traten in die klare kalte Luft hinaus und schlugen die Richtung zum Fluss ein. Übers Feld hinweg konnten sie Bert sehen, der ihnen mit Captain, der als niedrige schwarze Gestalt an seiner Seite watschelte, auf dem Fußpfad entgegengeschlendert kam. Er sah aus, als gehöre er zur Landschaft. Cass lächelte, hob die Hand und winkte ihm zu.
Die ferne Gestalt blieb stehen. Auch der Hund machte abwartend halt.
Der Alte schien sie gesehen zu haben, denn er starrte sie direkt an. Dann ruckte er an Captains Leine, kehrte um und ging dorthin zurück, wo er hergekommen war.
Cass stieß einen überraschten kleinen Schrei aus.
»Ein seltsamer alter Kauz«, sagte Mr. Remick, »einer der spleenigsten Einheimischen, wenn du weißt, was ich meine. Daran darfst du dich nicht stören.«
Er nahm ihren Arm, und sie gingen stattdessen um das Gebäude herum in Richtung Mühlenteich.
Ben ergriff Mr. Remicks Hand, lachte und schwenkte ihre Arme. »Spielen wir später Soldaten?«
»Natürlich«, sagte er, und Cass merkte, dass ihr diese Idee nicht zuwider war. Normalerweise war sie gern allein, mit Ben allein, aber in Gesellschaft des Lehrers fühlte sie sich wohl. Er passte zu ihnen.
Ben ließ einen Freudenschrei hören, rannte voraus und kickte Eisbrocken in die Luft. Der zuletzt gefallene Schnee war durchgefroren, bildete eine geschlossene hohe Decke.
»Er ist in letzter Zeit so komisch«, sagte
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