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Winters Herz: Roman (German Edition)

Winters Herz: Roman (German Edition)

Titel: Winters Herz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Littlewood
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Spiel«, sagte er.
    Sie biss sich auf die Unterlippe. Sally hätte die richtigen Dinge zur Hand gehabt, das wusste sie, und sie hätte auch gewusst, was man in solchen Situationen sagte. Und Mr. Remick   … er hätte ebenfalls gewusst, was zu tun war. »Wie wär’s mit einer Spielekonsolenpause?«, schlug sie vor. »Wie wär’s, wenn du mir ein Bild zeichnen würdest?«
    Ben kniff die Augen zusammen, aber nach kurzer Bedenkzeit nickte er, und Cass brachte ihm die Buntstifte und seinen Zeichenblock. Sie fragte sich, was er zeichnen würde   – vielleicht wieder einen Soldaten, der schwer verwundet blutete. Der Lehrer hatte gesagt, Ben habe seit dem ersten Mal nichts in dieser Art gezeichnet, aber falls ihr Sohn unter irgendetwas litt, konnte das Dargestellte vielleicht einen Hinweis darauf geben.
    Sie ging in die Küche, um nachzusehen, was noch an Lebensmitteln übrig war, und sah von Zeit zu Zeit ins Wohnzimmer hinüber. Ihr Sohn war am Tisch sitzend über den Block gebeugt, den er mit einem Arm abschirmte, damit niemand sein Bild sehen konnte. Dabei warf er mehrmals den Kopf zurück, weil sein Haar ihm in die Augen fiel. Sie musste es ihm wieder schneiden. Sie musste ihm etwas zu trinken geben, das ihm schmeckte. Vielleicht einen Tee. Sie musste dafür sorgen, dass er lächelte, dass er lachte   – wieder einen normalen Jungen aus ihm machen, der sie nicht anfunkelte oder gar bespuckte. Jetzt war sein Gesicht blass, aber es war aus Konzentration verkniffen, nicht aus Hass oder aufgrund dieser schrecklichen Leere. Die Hand mit dem blauen Stift bewegte sich rasch und sicher. Ab und zu wurde die Zungenspitze im linken Mundwinkel sichtbar. Das Zeichnen machte ihm offenbar Spaß.
    Cass schloss die Küchentür, betrachtete ihre zusammengeschmolzenen Vorräte und überlegte, was sie essen sollten. Sie hatten weder Kartoffeln noch Nudeln   – aber Fertignudeln und Bohnen. Der Eierkarton stand auf der Arbeitsplatte. Sie klappte ihn auf und erwartete fast, dass eine dicke Flüssigkeit herausspritzen würde, aber das passierte nicht. Die Schachtel enthielt nur zwei braune Eier.
    Sie fand den Dosenöffner. Nun konnte es Bohnen mit Spiegelei geben. Sie stellte einen Stieltopf auf den Gasherd, und das blubbernde Geräusch klang vertraut häuslich.
    »Das Mittagessen ist fertig, Schatz.« Sie stieß die Tür mit dem Fuß auf und trug die Teller hinein. Essensgeruch erfüllte den Raum. Ben sah auf und lächelte. In seinem Blick lag etwas.
    »Hast du ein schönes Bild gezeichnet?«
    Er stand auf, nahm das Blatt vom Tisch und versteckte es hinter dem Rücken. Lächelte wieder, ließ seine Grübchen sehen. Cass stellte die Teller ab und zerzauste ihm das Haar. »Braver Junge«, sagte sie. »Zeigst du’s mir jetzt?«
    Ben setzte sich neben sie, und Cass wollte ihm Messer und Gabel geben. Er nahm sie jedoch nicht und saß nur lächelnd da, bis Cass die Hand zurückzog. Dann legte er seine Zeichnung auf den Tisch und strich sie glatt.
    In der Bildmitte stand ein Soldat. Er trug einen Wüstenkampfanzug mit einem Fleckentarnmuster aus Kaki- und Beigetönen. Er hatte strohblondes Haar und war groß, viel größer als die zweite abgebildete Person. Das wusste Cass, weil Pete   – der Soldat musste Pete sein   – diese andere Person, eine Frau, an ihren langen schwarzen Haaren hielt. Ihre Brüste hingen aus einem leuchtend blauen Kleid. Ihre Füße baumelten über dem gelben Wüstenboden. Sie hatte hellbraune Haut und braune Augen und als Mund ein weit aufgerissenes schwarzes Loch. Cass konnte sehen, dass sie schrie.
    Der Soldat trug jedoch ein breites Lächeln zur Schau.
    »Er hat sie gesext, Mami«, sagte Ben. Cass sah bestürzt, dass Ben ebenfalls lächelte. »Er hat sie gesext.«
    Sie reagierte impulsiv, schlug ihrem Sohn ins Gesicht. Seine Haut rötete sich sofort, noch während Cass ausrief: »Oh, tut mir leid! Tut mir leid!« Sie schob die Zeichnung mit einer Hand fort,streckte die andere nach ihrem Sohn aus. »Ben, ich wollte dich nicht   …«
    Er hielt sich das Gesicht mit einer Hand, und sie konnte jeden Atemzug sehen, als der Mund die Luft einsaugte und zischend wieder ausstieß. Seine Augen waren wütend zusammengekniffen. Er schnappte sich seine Gabel vom Tisch und hielt sie in der ausgestreckten Faust.
    »Ben.«
    Er stieß damit zu, und Cass zuckte zurück, krachte gegen ihre Stuhllehne. Ben stieß erneut zu, und diesmal blitzten silberne Gabelzinken vor ihren Augen vorbei. Dann sprang er auf und stolperte

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