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Winters Herz: Roman (German Edition)

Winters Herz: Roman (German Edition)

Titel: Winters Herz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Littlewood
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»Sally«, sagte sie, »wie schön, dich zu sehen. Hör zu, ich weiß, dass ich deine Großzügigkeit in letzter Zeit überstrapaziert habe, aber ich wollte fragen   …«
    »Keine Ursache, keine Ursache.« Sally strahlte Ben an. »Ein so netter Junge. Gehört schon richtig zu ihrer Bande.«
    Nicht mehr lange.
    »Ich muss heute zu Fuß nach Moorfoot hinüber.«
    »Gibt’s irgendein Problem?«
    »Nein, nein«, wehrte Cass hastig ab. »es hängt mit meiner Arbeit zusammen   – eine echt lästige Sache, wenn du mich fragst. Ich muss ein paar Leute anrufen, danach komme ich sofort zurück.«
    Vorläufig. Bis der Schnee schmilzt und wir unsere Sachen gepackt haben.
    Cass merkte, wie sie angestrengt lächelte und dabei Bens Hinterkopf fixierte. Sie bewegte sich. »Ich will mich nicht verspäten, aber mit dem Schnee und allem   …«
    »Ich nehme ihn. Ist mir ein Vergnügen«, sagte Sally sofort.
    »Sehr freundlich von dir. Ich bin dir echt dankbar.«
    »Er könnte bei uns übernachten   – dann bräuchtest du ihn nicht abzuholen.«
    »Danke, das ist nicht nötig. Vielleicht schaffe ich’s sogar bis Schulschluss. Sonst schaue ich direkt bei dir vorbei. Und noch was, Sally   …«
    »Ja?«
    »Er ist in letzter Zeit irgendwie anders. Nicht krank, nur   … ach, ich weiß nicht. Nicht er selbst. Ist dir irgendwas aufgefallen?«
    »Nein, nein, aber ich kenne ihn natürlich nicht so gut wie du.«
    »Es ist bestimmt nichts Ernstes. Aber könntest du ihn heute ein bisschen im Auge behalten?«
    »Wird gemacht. Kein Problem.«
    »Danke.« Cass berührte Sallys Schulter. »Wirklich sehr nett von dir.«
    »Wozu sind Nachbarn schließlich da? Aber du solltest dich bei diesem Wetter nicht ins Moor wagen. Das ist keine gute Idee, Cassandra. Dort oben gibt’s zwei bis drei Meter hohe Schneewehen. Bleib lieber hier. Wir können dir bestimmt helfen, dein Problem zu lösen.«
    »Ich komme schon zurecht«, wehrte Cass nachdrücklich ab. »Es dauert nicht lange.« Wie oft hatte sie sich das schon gesagt? Als ob sie versuchte, sich selbst davon zu überzeugen. Sie beugte sich zu Ben hinunter, küsste seinen Scheitel und ließ die Hand auf seinem Kopf ruhen. »Bye, Ben, bis bald!«
    Er schlüpfte unter ihrer Hand hervor und rannte zu Damon hinüber.
    »Also bis später!«, rief sie.
    Er winkte ihr zu, ohne sich umzusehen. Dann war er fort und ließ sie mit schmerzendem Herzen zurück.
    Die Straße ins Moor hinauf war unbefahren. Das Knirschen ihrer eigenen Schritte im Schnee klang in Cass’ Ohren dröhnend laut, aber es gab hier auch keine anderen Geräusche: kein ferner Verkehrslärm, kein Vogelgezwitscher. Es war seltsam, nicht Bens Schritte neben sich zu haben, irgendwie falsch, als überlasse sie ihn schon jetzt diesen Fremden. Doch um ihn brauchte sie sich keine Sorgen zu machen; ihm würde es weit besser ergehen als ihr selbst.
    Die Kälte drang bereits durch ihre Daunenjacke und ließ sie frösteln. Jeder Schritt erforderte eine bewusste Anstrengung. Aber es würde besser werden, sobald sie den Grat überschritten hatte; dann ging es nur noch bergab, und in Moorfoot konnte sie etwas Warmes essen und Bert aufspüren. Bestimmt kannte er einen leichteren Weg zurück. Vielleicht würde sie dann nicht mehr durch tiefen Schnee stapfen müssen, in den sie bei jedem Schritt einbrach.
    Sie bog zur Farm des Ehepaars Broath ab. Diesmal kläffte kein Hund. Aus dem Entlüftungsrohr in der Mauer strömte jedoch wieder Dampf. Cass machte nicht halt. Auf dem unebenen Weg konnte man sich leicht den Knöchel verknacksen, aber sie ging vorsichtig und belastete den Fuß, mit dem sie auftrat, jeweils nur langsam. Ihre Hose war nicht wasserdicht, sodass sich an ihrem Saum ein dunkler Rand bildete.
    Der Schnee wurde tiefer. Sein grellweißer Widerschein ließ Cass’ Augen schmerzen. Über den Himmel, der in unschuldigem Tiefblau strahlte, zogen weiße Schäfchenwolken. Wunderschön.
    Der Schnee reichte ihr jetzt bis über die Knie. Als Cass einen unbedachten Schritt machte, sank sie bis fast zu den Oberschenkeln ein. Sie war sofort durchnässt, und die Kälte machte sichnoch schlimmer bemerkbar. Als sie darum kämpfte, sich aus der Schneewehe herauszuwühlen, musste sie an einen Urlaub mit Pete denken, in dem sie durch starke Brandung gewatet waren: Pete lachend, während sie Mühe gehabt hatte, in der kraftvollen Strömung auf den Beinen zu bleiben. So ähnlich war es auch hier, nur kalt, bitterkalt. Ihr Wangen brannten, ihre Ohren brannten.

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