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Wintersturm

Titel: Wintersturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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dich schon. Ich finde dich schon, Michael. Du bist ein sehr ungezogener Junge. Und du kriegst deine Strafe, Michael.
    Hörst du mich, Michael?«
    Er glaubte, in dem Schlafzimmer rechts von ihm etwas gehört zu haben und stürzte hinein, schonte aber beim Laufen seinen Knöchel. Doch das Zimmer war leer. Was war, wenn der Junge durch diesen Korridor gelaufen war und die Vordertreppe benutzt hatte? Plötzlich geriet er in Panik und polterte die beiden übrigen Treppen hinab. Von draußen hörte er, wie in der Bucht die Brandung gegen die Felsen donnerte.
    Er rannte in die Küche und zur Hintertür hinüber. Das war die Tür, die er immer benutzte, um das Haus zu verlassen oder zu betreten. Diese Tür hatte nicht nur ein Doppelschloß, sondern auch einen hoch liegenden Riegel. Er atmete schnell und keuchte vor Wut. Mit seinen dicken, zitternden Fingern schob er den Riegel vor. Dann zog er einen schweren hölzernen Küchenstuhl heran und verkeilte ihn unter der Klinke. Den würde der Junge niemals wegrücken können. Es gab keinen anderen Weg aus dem Haus.
    Der schwere Sturm hatte das restliche Tageslicht fast verschluckt. Courtney knipste die Deckenbeleuchtung an, doch einen Moment später flackerte sie auf und verlöschte. Der Sturm hatte wahrscheinlich einige Leitungen heruntergerissen.

    Das würde die Suche nach dem Jungen erschweren. Die Schlafzimmer oben im Hause waren alle voll möbliert. Auch hatten sie alle tief eingelassene Wandschränke, in denen man sich gut verstecken konnte. Courtney biß sich wütend auf die Lippen. Dann griff er nach der Sturmlampe auf dem Tisch, entzündete ein Streichholz und steckte den Docht an. Das Glas war rot, und das Licht warf einen unheimlichen rötlichen Schein auf den fahlen Dielenboden und die Decke mit den mächtigen Balken. Der Wind riß an den Fensterläden.
    Courtney rief: »Michael… ist schon gut, Michael. Ich bin nicht mehr böse. Komm heraus, Michael. Ich bringe dich nach Hause zu deiner Mutter!«
    18
    Die Möglichkeit, Nancy Harmon zu erpressen, war der Glücksfall, auf den Rob Legler seit sechs Jahren gewartet hatte
    – seit dem Tage, an dem er seinen Einschiffungsbefehl nach Vietnam zerrissen hatte und in ein Flugzeug nach Kanada gestiegen war. In diesen Jahren hatte er als Landarbeiter in der Nähe von Halifax gearbeitet. Es war der einzige Job gewesen, den er bekommen konnte, und er haßte ihn. Aber nicht einen Augenblick hatte er seinen Entschluß bereut, von der Armee abzuhauen. Wer zum Teufel wollte schon in diesen heißen Dreckdschungel gehen und sich von einem Haufen stinkender Pinscher totschießen lassen? Er jedenfalls nicht.
    Er hatte auf der Farm in Kanada gearbeitet, weil es überhaupt keine Alternative gegeben hatte. Mit sechzig Dollar in der Tasche war er von San Francisco weggegangen. Wenn er wieder nach Hause zurückkehrte, würden sie ihn einlochen. Er verspürte keine Lust, den Rest seines Lebens wegen Fahnenflucht hinter Gittern zu verbringen. Er brauchte ein anständiges Kapital, um irgendwohin, zum Beispiel nach Argentinien, abzuhauen. Er war eben keiner von den Tausenden von Deserteuren, die am Ende heimlich und mit gefälschten Papieren in die Vereinigten Staaten zurückkehren konnten. Dank dieser verfluchten Harmon-Geschichte waren die ihm ständig auf den Fersen.
    Wäre damals das Urteil nicht aufgehoben worden… dann wäre der Fall erledigt. Aber dieses Schwein von Bezirksstaatsanwalt hatte gesagt, selbst wenn er zwanzig Jahre brauchte, er würde dafür sorgen, daß Nancy Harmon wegen der Ermordung ihrer Kinder wieder vor Gericht käme. Und Rob war der Zeuge, der das Tatmotiv lieferte.
    Rob durfte es nicht noch einmal so weit kommen lassen. Es war so, daß der Staatsanwalt den Geschworenen beim letztenmal versichert hatte, hinter den Morden müsse mehr stecken als Nancy Harmons Wunsch, aus ihrer häuslichen Umgebung auszubrechen. »Wahrscheinlich war es Liebe«, hatte er gesagt. »Wir haben hier eine sehr attraktive junge Frau vor uns, die seit ihrem achtzehnten Lebensjahr mit einem älteren Mann verheiratet ist. Manch eine junge Frau könnte sie um das Leben, das sie führte, durchaus beneiden. Professor Harmons tiefe Liebe zu seiner Frau und seiner Familie war allen ein Vorbild. Aber ist Nancy Harmon zufrieden? Nein. Als ein Student ins Haus kommt, um eine Reparatur auszuführen, von ihrem Gatten geschickt, damit sie nicht einmal ein paar Stunden in einer ungemütlichen Wohnung verbringen muß, was macht sie da? Sie folgt ihm

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