Wintersturm
und Herren Geschworenen, ich möchte nicht behaupten, daß Rob Legler an dem Plan zur Ermordung von Nancy Harmons Kindern beteiligt war.
Zumindest war er es nicht im juristischen Sinne. Aber ich bin fest davon überzeugt, daß er moralisch, vor Gott, schuldig ist. Er gab dieser törichten, undankbaren jungen Frau zu verstehen, daß er an ihr interessiert wäre, wenn sie frei wäre, und sie wählte eine Freiheit, die unvereinbar ist mit den elementaren Empfindungen der Menschheit. Sie ermordete ihre Kinder, um von ihnen frei zu sein.«
Nachdem Nancy Harmon zum Tod in der Gaskammer verurteilt worden war, hatte Professor Harmon Selbstmord verübt. Er fuhr seinen Wagen an denselben Strand, an dem eines der Kinder gefunden worden war, und ließ ihn am Ufer stehen. Er befestigte einen Zettel am Lenkrad, auf dem es hieß, daß alles seine Schuld sei. Er hätte erkennen müssen, wie krank seine Frau sei. Er hätte ihr die Kinder wegnehmen müssen. Er trage die Schuld am Tod seiner Kinder und an der Tat seiner Frau. ›Ich habe versucht, Gott zu spielen‹, schrieb er. ›Ich habe sie so sehr geliebt, daß ich glaubte, ich könnte sie heilen. Ich dachte, wenn sie Kinder bekäme, würde sie den Schmerz über den Tod ihrer Mutter verwinden. Ich dachte, Liebe und Fürsorge würden sie heilen, aber ich habe mich geirrt; ich habe mich auf etwas eingelassen, was über meine Kräfte ging.
Vergib mir, Nancy.‹
Es hatte keinen Beifallssturm gegeben, als das Urteil aufgehoben wurde. Es war aufgehoben worden, weil jemand gehört hatte, wie zwei weibliche Geschworene mitten im Prozeß in einer Bar den Fall erörtert und dabei erklärt hatten, Nancy Harmon sei so schuldig wie die Sünde. Doch bevor der neue Prozeß anberaumt werden konnte, hatte Rob seine Abschlußprüfung gemacht, war eingezogen worden, hatte den Marschbefehl nach Vietnam bekommen und war durchgebrannt. Ohne ihn hatte der Staatsanwalt jedoch keine Beweismittel und mußte Nancy freilassen –, aber er hatte geschworen, daß er sie, wenn er Rob zu fassen bekäme, sofort wieder vor Gericht stellen würde.
In den Jahren in Kanada hatte Rob über diesen Prozeß oft nachgedacht. Es gab da etwas, was ihn an dem ganzen Affentheater störte. Ganz abgesehen von ihm selbst, er konnte es ihnen einfach nicht abkaufen, daß Nancy Harmon eine Mörderin war. Vor Gericht war sie wie eine Tontaube gewesen. Harmon hatte sie bestimmt nicht gerade entlastet, als er im Zeugenstand zusammenbrach, gerade als man von ihm erwartete, daß er sagte, welch großartige Mutter sie gewesen sei.
Unter den Kriegsdienstverweigerern, mit denen er in Kanada zusammenhauste und denen er von dem Fall erzählt hatte, war Rob so etwas wie eine Berühmtheit. Sie hatten ihn über Nancy ausgefragt, und Rob hatte ihnen erzählt, was für ein tolles Weib sie war… und auch angedeutet, daß er etwas mit ihr gehabt hätte. Er hatte ihnen Zeitungsausschnitte vom Prozeß gezeigt und Bilder von Nancy.
Er hatte ihnen erzählt, daß sie eine Menge Moos haben müsse – beim Prozeß sei herausgekommen, daß ihre Eltern ihr über hunderttausend Dollar hinterlassen hätten; daß er sie anpumpen würde, wenn er herausbekäme, wo sie wohne, und daß er sich nach Argentinien absetzen wolle.
Dann war seine Chance gekommen. Einer seiner Kumpel, Jim Ellis, der davon wußte, daß er im Fall Harmon eine Rolle gespielt hatte, war nach Hause gefahren, um seine Mutter zu besuchen, die unheilbar an Krebs erkrankt war.
Die Mutter wohnte in Boston, aber weil der FBI das Haus beobachtete in der Hoffnung, Jim zu schnappen, traf sie sich mit ihm am Cape Cod in einem Ferienhaus, das sie am Maushop See gemietet hatte.
Als Jim nach Kanada zurückkehrte, steckte er voller Neuigkeiten. Er fragte Rob, wieviel er es sich kosten lassen würde, zu erfahren, wo er Nancy Harmon finden könne.
Rob war skeptisch, bis er das Bild sah, das Jim von Nancy heimlich am Strand aufgenommen hatte. Es gab gar keinen Zweifel, daß sie es war. Jim hatte auch ein paar Erkundigungen angestellt. Die Lebensverhältnisse sondiert; und er hatte herausbekommen, daß ihr Mann ziemlich wohlhabend war. In aller Eile hatten sie eine Abmachung getroffen. Rob würde versuchen, Nancy aufzusuchen. Ihr sagen, wenn sie fünfzigtausend Dollar für ihn ausspuckte, würde er sich nach Argentinien absetzen und sie brauchte sich nie mehr Sorgen zu machen, daß er gegen sie aussagen würde. Rob nahm an, daß sie sofort darauf anbeißen würde, vor allem wo sie jetzt wieder
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