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Wintersturm

Titel: Wintersturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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Couch hinüber.
    »Trinken Sie etwas, Ray.«
    Er schaute auf. »Vielen Dank.« Als er die Hand danach ausstreckte, sagte er mit gedämpfter Stimme zu Nancy: »Es wird alles wieder gut werden, mein kleines Mädchen.«
    Nancy schreckte heftig zusammen. Sie riß die Augen auf, warf ihre Arme hoch und stieß die Tasse aus Rays Hand. Die Tasse fiel zu Boden und zersprang, und die heiße Flüssigkeit ergoß sich über ihren Morgenrock und die Decke. Ein paar Tropfen spritzten auf Ray und Nancy.
    Alle zuckten gleichzeitig zusammen, als Nancy mit der verzweifelten Stimme eines gefangenen Tieres aufschrie: »Ich bin nicht dein kleines Mädchen! Nenn mich nicht dein kleines Mädchen!«
    17
    Courtney Parrish wandte sich von der kleinen reglosen Gestalt auf dem Bett ab und holte tief Luft. Er hatte den Klebestreifen von Missys Mund abgezogen und die Schnüre von ihren Handgelenken und Knöcheln entfernt. In einem kleinen Häufchen lag alles durcheinander auf der Steppdecke. Ihr feines seidiges Haar war jetzt verfilzt. Er hatte sie baden und ihr dann das Haar kämmen wollen, jetzt aber hatte das keinen Sinn. Wenn sie nicht reagierte, empfand er nichts dabei.
    Der kleine Junge, Michael, lag immer noch im Wandschrank auf dem Boden. Seine großen blauen Augen waren starr vor Schrecken. Courtney hob ihn hoch und drückte ihn an seine massige Brust.
    Er legte Michael aufs Bett, löste die Fesseln an Knöcheln und Handgelenken und riß ihm mit einem schnellen Ruck den Klebestreifen vom Mund. Der Junge schrie auf vor Schmerz, biß sich dann aber auf die Lippen. Er schien besser zu reagieren – äußerst argwöhnisch und furchtsam, aber irgendwie doch mit dem Mut eines Tieres in der Falle.
    »Was haben Sie mit meiner Schwester gemacht?« Der herausfordernde Ton erinnerte Courtney daran, daß der Junge die Milch mit dem Betäubungsmittel, die er ihm gegeben hatte, ehe ihm diese Schwachköpfe da hereingeschneit kamen, nicht ganz ausgetrunken hatte.
    »Sie schläft.«

    »Lassen Sie uns nach Hause gehen. Wir wollen nach Hause.
    Ich mag Sie nicht. Ich hab’ es Vati gesagt, daß ich Sie nicht mag, und Tante Dorothy war hier, und Sie hatten uns versteckt.«
    Courtney erhob seine rechte Hand, krümmte sie halb zur Faust und schlug Michael auf die Wange. Michael fuhr vor Schmerz zurück und ließ sich dann unter dem Griff des Mannes hindurch abrollen. Courtney griff nach ihm, verlor das Gleichgewicht und plumpste auf das Bett. Sein Mund berührte Missys wirres Haar, und einen Augenblick lang war er abgelenkt. Er raffte sich wieder auf, wandte sich um, stand auf den Beinen und duckte sich zu einem Sprung auf Michael.
    Aber Michael ging rückwärts zur Schlafzimmertür. Mit einer schnellen Bewegung öffnete er sie und rannte durch das angrenzende Wohnzimmer.
    Courtney stürzte hinter ihm her, denn ihm fiel ein, daß er die Apartmenttür nicht abgeschlossen hatte. Er hatte vermeiden wollen, daß Dorothy beim Hinuntergehen das scharfe Klicken hörte, wenn er den Schlüssel herumdrehte.
    Michael riß die Tür auf und rannte zur Treppe. Seine Schuhe klapperten auf dem nackten Boden. Er lief sehr schnell, ein schmaler Schatten, der in die schützende Dunkelheit des zweiten Stockwerks eintauchte. Courtney rannte hinter ihm her. Bei seiner ungestümen Verfolgung verlor er aber das Gleichgewicht und stürzte. Er polterte sechs Stufen hinab, ehe es ihm gelang, seinen Sturz zu bremsen, und sich an dem schweren hölzernen Treppengeländer festzuhalten. Er schüttelte den Kopf, um wieder klar denken zu können, riß sich dann hoch und verspürte im rechten Knöchel einen heftigen Schmerz. Er mußte dafür sorgen, daß die Küchentür verschlossen war.
    Man konnte keine Fußtritte mehr hören. Der Junge hatte sich wahrscheinlich im zweiten Stock in einem Schlafzimmer versteckt. Nun, er hatte genügend Zeit, nach ihm zu suchen.

    Zuerst aber die Küchentür. Die Fenster waren kein Problem.
    Sie waren alle doppelt verriegelt und sowieso viel zu schwer.
    Das Doppelschloß vorne an der Haustür lag für das Kind zu hoch. Er würde einfach die Küchentür fest verschließen und dann nach dem Jungen suchen – Zimmer für Zimmer. Er würde nach ihm rufen und ihm Angst einjagen. Seine Augen hatten verängstigt und mißtrauisch geblickt. So sah er Nancy noch ähnlicher. Oh, das war wunderbar und ganz unerwartet. Aber er mußte sich beeilen. Er mußte sicher gehen, daß der Junge nicht aus dem Haus konnte.
    »Ich komme gleich zurück, Michael«, rief er. »Ich finde

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