Wintersturm
verheiratet war und auch wieder Kinder hatte. Für die Gewißheit, daß man sie nicht eines Tages nach Kalifornien zurückschleppen und vor Gericht stellen würde, war das ein niedriger Preis.
Jim verlangte glatt zwanzig Prozent Beteiligung. Während Rob Nancy aufsuchte, wollte Jim gefälschte kanadische Pässe und Ausweispapiere besorgen und Flüge nach Argentinien buchen. Für Geld war das alles zu haben.
Ihre Unternehmung war sorgfältig geplant. Rob hatte es fertiggebracht, sich von einem jungen Amerikaner, der in Kanada zur Schule ging, einen Wagen zu leihen. Er rasierte sich für die Fahrt seinen Bart ab und ließ sich die Haare schneiden. Jim hatte ihn gewarnt, sobald man wie ein Hippie aussähe, lägen alle verdammten Bullen in diesen stumpfsinnigen Neuengland-Städten auf der Lauer, um einen mit dem Radarwagen zu stoppen.
Rob entschloß sich, von Halifax aus direkt durchzufahren. Je kürzer die Zeit war, die er sich in den Staaten aufhielt, desto geringer war die Wahrscheinlichkeit geschnappt zu werden. Er wollte frühmorgens am Kap ankommen. Jim hatte herausbekommen, daß Nancys Mann immer morgens um halb zehn sein Büro öffnete. Er konnte also um zehn herum an ihrem Haus sein. Jim hatte eine Skizze von der Straße angefertigt, in der sie wohnte, und auch die Zufahrt durch den Wald eingezeichnet. Dort konnte er den Wagen verstecken.
Als er das Kap erreichte, ging der Sprit zur Neige. Deshalb war er bei Hyannis abgebogen, um zu tanken. Jim hatte ihm erzählt, daß es dort auch außerhalb der Saison eine Menge Touristen gab. Es sei ziemlich unwahrscheinlich, daß er da auffiele. Auf der ganzen Fahrt herunter war er nervös gewesen und hatte versucht, zu einem Entschluß zu gelangen, ob er diesen Handel Nancy und ihrem Mann gemeinsam anbieten sollte. Wahrscheinlich mußte sie es ihm sagen, wenn sie soviel Geld abhob. Rob würde wegen Fahnenflucht und Erpressung verurteilt. Nein, es war besser, mit Nancy allein zu sprechen.
Sie dachte bestimmt noch daran, wie sie auf der Anklagebank gesessen hatte.
Der Tankwart an der Tankstelle war sehr beflissen. Prüfte alles nach, reinigte die Fenster, gab Luft auf die Reifen, ohne daß er ihn darum gebeten hatte. Das war der Grund, warum Rob nicht auf der Hut gewesen war. Als er die Rechnung bezahlte, fragte der Tankwart, ob er zum Fischen hergekommen sei. Da hatte er so dahergequatscht, daß er eigentlich zur Jagd gekommen sei – er sei auf dem Weg nach Adams Port, um eine alte Freundin zu besuchen, die wahrscheinlich nicht sehr entzückt sein würde, ihn zu sehen.
Dann aber wünschte er seine Geschwätzigkeit zum Teufel und raste davon, hielt aber noch an einem Restaurant in der Nähe, um etwas zu frühstücken.
Um Viertel vor zehn fuhr er nach Adams Port hinein.
Während er langsam durch die Straßen steuerte und die Karte studierte, die Jim ihm gezeichnet hatte, fand er sich allmählich in der Beschreibung zurecht. Trotzdem hätte er beinahe den Feldweg verfehlt, der hinter ihrem Grundstück in den Wald führte. Er merkte es erst, nachdem er wegen dieses alten Fords, der da herausbog, das Gas weggenommen hatte. Er setzte zurück, fuhr in den Feldweg, stellte den Wagen ab und ging langsam auf den Hintereingang von Nancys Haus zu. Das war der Augenblick gewesen, als sie wie eine Irre herausgerannt kam und diese Namen schrie. Peter, Lisa, das waren die toten Kinder. Er folgte ihr durch den Wald zum See und beobachtete, wie sie sich ins Wasser stürzte. Er wollte gerade hinter ihr her, als sie sich schon von allein herausschleppte und am Strand zusammenbrach. Er wußte, daß sie in seine Richtung blickte.
Doch er war sich nicht sicher, ob sie ihn sah. Eines wußte er jedoch genau – daß er hier verschwinden mußte. Er hatte keine Ahnung, was sich da abspielte, aber er hatte auch keine Lust, sich da in etwas hineinziehen zu lassen.
Als er dann im Wagen saß, beruhigte er sich allmählich wieder. Vielleicht war sie Alkoholikerin geworden. Wenn sie noch immer nach ihren toten Kindern schrie, bestanden doch Aussichten, daß sie mit beiden Händen zugreifen würde, wenn er ihr die Garantie bot, daß sie sich wegen eines neuen Prozesses keine Sorgen mehr zu machen brauchte. Er entschloß sich, in einem Motel in Adams Port abzusteigen und sie am nächsten Tag noch einmal aufzusuchen.
Im Motel legte sich Rob sofort ins Bett und schlief ein. Am späten Nachmittag wurde er wieder wach und schaltete den Fernsehapparat ein, um die Nachrichten noch mitzubekommen.
Er
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