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Wintersturm

Titel: Wintersturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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vorsichtig, denn er spürte den Matsch unter den Reifen, und der Wagen hatte die Neigung, in den Kurven zu schleudern.
    Er überlegte, wie er es bloß rechtfertigen konnte, ein so großes, labyrinthartiges Haus nach einem kleinen Feuerzeug absuchen zu wollen. Mr. Parrish konnte ihm mit gutem Grund vorschlagen, er möge doch am nächsten Morgen zurückkehren.
    Oder er konnte ihm anbieten, selbst danach zu suchen und es Dorothy zu geben, wenn er es fand.
    John nahm sich vor, mit seiner Stablampe zur Tür zu gehen.
    Er würde sagen, er könne sich ganz genau daran erinnern, etwas fallen gehört zu haben, als er sich über das Teleskop beugte. Er hätte eigentlich sofort nachsehen wollen, ob ihm etwas aus der Tasche gefallen sei. Das klang einleuchtend.
    Jedenfalls war es das Apartment im dritten Stock, das er sich ansehen wollte.
    Der leichte Anstieg zum ›Ausguck‹ war heimtückisch.
    In der letzten Kehre der Straße kam der Wagen vorne gefährlich ins Rutschen. John umklammerte das Steuer, dann hafteten die Reifen wieder und hielten die Spur. Nur ein paar Zentimeter, und es hätte ihn die steile Böschung hinabgeschleudert. Er wäre dann bestimmt gegen die mächtige Eiche geprallt, die kaum zwei Meter entfernt stand. Ein paar Minuten später steuerte er den Wagen in die rückwärtige Auffahrt zum ›Ausguck‹. Er verwarf die Möglichkeit, den Wagen in der relativ geschützten Garage abzustellen, so wie Dorothy es getan hatte. Er wollte ungezwungen und aufgeräumt wirken. Wenn überhaupt, dann sollte in seinem Verhalten höchstens eine leichte Verärgerung spürbar sein, so als ob ihm selbst alles sehr lästig und unangenehm wäre. Er würde sagen, daß er seinen Verlust beim Essen bemerkt habe, und da er noch in der Stadt gewesen sei, habe er sich entschlossen, lieber sofort zurückzufahren als später zu telefonieren.
    Als er aus dem Wagen stieg, fiel ihm die unheilvolle Dunkelheit des großen Hauses auf. Selbst das Obergeschoß lag völlig im Dunkeln. Der Mann mußte doch Sturmlampen haben.
    Stromausfälle bei schweren Stürmen konnten am Kap doch nichts Ungewöhnliches sein. Aber angenommen, Parrish war eingeschlafen und hatte nichts davon bemerkt, daß der Strom ausgefallen war? Angenommen – bloß angenommen – eine Frau wäre bei ihm zu Besuch gewesen, die nicht gesehen werden wollte. Es war das erstemal, daß er an diese Möglichkeit dachte.
    Plötzlich kam er sich sehr albern vor und rang mit sich, ob er sich nicht wieder in den Wagen setzen sollte. Der Wind peitschte ihm den Graupel ins Gesicht und in den Kragen und in die Ärmel seines Mantels; das wohlige Behagen, das die Mahlzeit in ihm ausgelöst hatte, war verflogen. Er wurde sich dessen bewußt, wie müde und durchgefroren er war, und dachte daran, daß er noch eine lange und beschwerliche Autofahrt vor sich hatte. Mit seiner fantastischen Geschichte würde er dastehen wie ein Ochs vor dem Tor. Warum hatte er nicht an die Möglichkeit gedacht, daß Parrish jemanden zu Besuch haben könnte, dem es vielleicht peinlich war, gesehen zu werden. John gelangte zu der Auffassung, daß er ein Narr sei, ein mißtrauischer Idiot. Möglicherweise hatten er und Dorothy ihn nur bei einem Schäferstündchen gestört, weiter nichts. Er würde sich davonmachen, bevor er jemandem noch lästig fiele.
    Er wollte sich schon ans Steuer setzen, als er hinter dem Küchenfenster, hinten links, einen Lichtschein erblickte. Das Licht bewegte sich schnell, und ein paar Sekunden später sah er, wie es sich in den Fenstern links und rechts neben der Küchentür widerspiegelte. Jemand ging mit der Lampe in der Küche herum.
    Vorsichtig schloß John die Wagentür, damit sie nicht laut zuknallte, sondern nur mit einem sanften Klicken einrastete. Er nahm die Taschenlampe fest in die Hand, schlich sich über die Auffahrt hinweg langsam an das Küchenfenster heran und spähte hinein. Das Licht schien jetzt aus dem Foyer zu kommen. Vor seinem geistigen Auge überblickte er noch einmal die Anlage des Hauses. Durch dieses Foyer gelangte man zur Hintertreppe, das bedeutete, daß sich der kleine Salon auf der anderen Seite befand. Im Schütze der verwitterten Schindeln hastete er schnell an der Rückseite des Hauses entlang, an der Küchentür vorbei bis zu den Fenstern, die zum kleinen Salon gehören mußten. Der Schein der Lampe war gedämpft, aber noch während er abwartete, wurde er stärker. Er fuhr zurück, als er die Lampe erblickte, emporgehalten von einem ausgestreckten Arm.

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