Wintersturm
allein spazieren, und er würde ihm erzählen, daß er der neue Lehrer sei… Das klappte immer.
Als er diesen Entschluß gefaßt hatte, fühlte er sich wohler.
Jetzt mußte er nur noch diese Gefahr abwenden. Das war alles, was er jetzt noch wollte. Dieses Kind, widerspenstig wie Nancy… machte einem Ärger… war undankbar … wollte einfach davonlaufen… er würde es finden. Er würde es fesseln und dann die Plastikfolie holen. Er hatte darauf geachtet, daß er eine Sorte nahm, die Nancy bei Lowery gekauft haben konnte.
Zuerst würde er sich den Jungen vornehmen, weil der Junge so lästig war. Und dann… das kleine Mädchen… auch sofort. Es war zu gefährlich, sie noch zu schonen.
Wenn er sich in Gefahr fühlte, erhöhte sich immer seine Wahrnehmungsfähigkeit. Wie beim letztenmal. Er hatte eigentlich nicht gewußt, was er tun wollte, als er heimlich durch das Hochschulgelände zum Einkaufszentrum gefahren war. Er hatte lediglich gewußt, daß Nancy auf keinen Fall mit Lisa zum Arzt gehen durfte. Er war schon vor ihrer Ankunft dagewesen, hatte auf der kleinen Zufahrtstraße zwischen dem Einkaufszentrum und dem Hochschulgelände geparkt. Er hatte beobachtet, wie sie auf den Parkplatz fuhr, mit den Kindern sprach und in den Laden ging. Keine Wagen in der Nähe. Im gleichen Augenblick hatte er gewußt, was er zu tun hatte.
Die Kinder waren so gehorsam gewesen. Sie hatten ganz überrascht und verängstigt ausgesehen, als er die Wagentür öffnete. Aber als er sagte: »Schnell jetzt – wir spielen Mutti zum Geburtstag einen kleinen Streich«, waren sie in den Kofferraum geklettert, und im Nu war alles vorbei. Die Plastiktüten über ihre Köpfe gezogen und festgedreht, mit den Händen so lange festgehalten, bis sie sich nicht mehr rührten, den Kofferraum geschlossen und zurück zur Hochschule. Nicht einmal achtzehn Minuten vergangen, alles in allem; die Studenten eifrig bei ihren Experimenten, keiner hatte ihn vermißt. Ein ganzer Saal voller Zeugen, die, falls erforderlich, seine Anwesenheit bestätigen konnten. An jenem Abend war er mit dem Wagen einfach an den Strand gefahren und hatte die Leichen in den Ozean gekippt. Günstige Gelegenheit ergriffen, Gefahr abgewendet, damals, vor sieben Jahren – und jetzt, wieder Gefahr abwenden. »Michael, komm heraus, Michael.
Ich bring’ dich nach Hause zu deiner Mutter.«
Er stand noch in der Küche. Er hielt die Sturmlampe hoch und schaute umher. Es gab keine Stelle, wo man sich verstecken konnte. Die Schränke waren alle ganz hoch. Doch es würde unendlich schwer sein, den Jungen bei dieser Dunkelheit in diesem labyrinthartigen Haus zu finden, wenn er nur diese Lampe zum Suchen hatte. Es würde Stunden dauern, und wo sollte er anfangen?
»Michael, willst du nicht nach Hause gehen zu deiner Mutter?« rief er wieder. »Sie ist nicht in den Himmel gekommen … sie ist wieder ganz gesund… sie möchte, daß du zu ihr kommst.«
Sollte er mit dem zweiten Stock beginnen und zuerst dort in den Schlafzimmern suchen? überlegte er.
Aber der Junge hat bestimmt versucht, durch diese Tür nach draußen zu gelangen. Das war ein schlauer Bursche. Der war bestimmt nicht im oberen Stockwerk geblieben. Ob er vielleicht nach vorn zur Haustür gelaufen war? Besser dort nachsehen.
Er betrat schon das kleine Foyer, da fiel ihm der rückwärtige Salon ein. Wenn der Junge in der Küche gewesen war und ihn kommen gehört hatte, dann hatte er sich wahrscheinlich dort versteckt.
Er ging auf die Zimmertür zu. Hatte er da Atmen gehört, oder war das nur der Wind, der um das Haus ächzte? Er ging ein paar Schritte weiter, in das Zimmer hinein, und hielt die Petroleumlampe hoch über seinen Kopf. Seine Blicke schössen umher, versuchten die Dunkelheit zu durchdringen. Er wollte sich schon abwenden. Da schwenkte er plötzlich seine Lampe nach rechts.
Er blickte gebannt auf das, was er sah, dann brach er in ein hohes, hysterisches Wiehern aus. Wie ein riesiges hockendes Kaninchen zeichnete sich auf dem fahlen Eichenboden der Schatten einer kleinen Gestalt ab, die sich hinter der Couch zusammengeduckt hatte. »Jetzt habe ich dich, Michael«, schrie er, immer noch kichernd, »und jetzt entkommst du mir nicht.«
25
Der Strom fiel gerade in dem Augenblick aus, als John Kragopoulos von der Route 6 A in die Straße einbog, die zum
›Ausguck‹ führte. Unwillkürlich trat er auf den Knopf unter seinem Fuß und schaltete das Fernlicht ein. Die Sicht war noch immer schlecht, und er fuhr
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