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Wintersturm

Titel: Wintersturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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geistesabwesend und wandte ihm wieder den Rücken zu, um auf den Bildschirm zu sehen.
    »Dieser Mann da, ganz vorn der. Das ist der Mann, der mir den Dollar gab, damit ich nach seiner Post fragte, im Postamt, vor einem Monat. Weißt du noch, ich habe dir doch den Zettel gezeigt, den er geschrieben hat, weil du mir nicht glauben wolltest.«
    Ellen und Pat starrten wie gebannt auf den Fernsehschirm, wo gerade zu sehen war, wie Rob Legler hinter dem Professor Carl Harmon den Gerichtssaal verließ.
    »Neil, du irrst dich. Der Mann ist schon lange tot.«
    Neil war gekränkt. »Siehst du. Du glaubst mir nie etwas.

    Aber als du mich immer wieder fragtest, hast du mir das auch nicht geglaubt. Er ist jetzt viel dicker und hat keine Haare mehr; aber als er sich aus dem Kombiwagen lehnte, ließ er den Kopf genauso nach vorn hängen wie dieser Mann.«
    Der Sprecher sagte gerade: »…jede Information, ganz gleich wie unwichtig sie Ihnen auch erscheinen mag.«
    Pat blickte finster vor sich hin.
    »Warum guckst du so böse, Vati?« fragte die fünf Jahre alte Deirdre ängstlich.
    Sein Gesicht hellte sich auf. Neil hatte gesagt: ›Wie dieser Mann.‹ »Ich glaube, weil mir manchmal klar wird, wie schwer es ist, eine Bande wie euch aufzuziehen«, erwiderte er, während er ihr mit der Hand durch das kurze lockige Haar fuhr.
    Er war dankbar dafür, daß sie hier bei ihm war, in Reichweite.
    »Stell den Fernseher ab, Neil«, befahl er seinem Sohn. »Nun, Kinder, bevor wir das Tischgebet sprechen, wollen wir beten, daß Gott die Eldredge-Kinder gesund nach Hause zurückkehren läßt.«
    Während des folgenden Gebetes war Ellen mit ihren Gedanken ganz woanders. Die hatten dringend um jede Information gebeten, gleichgültig, wie unbedeutsam sie erscheinen mochte, und Neil hatte einen Dollar Trinkgeld bekommen, um im Hauptpostamt einen Brief abzuholen. Sie erinnerte sich ganz genau an den Tag: Mittwoch vor vier Wochen. Sie erinnerte sich an das Datum, weil an dem Abend in der Schule eine Elternversammlung stattfand und sie sich sehr ärgerte, weil Neil so spät zum Abendessen kam. Ganz plötzlich fiel ihr etwas ein.
    »Neil, hast du zufällig noch den Zettel, den der Mann dir zur Vorlage beim Postamt gegeben hat?« fragte sie. »Ich glaube, ich habe gesehen, daß du ihn zusammen mit dem Dollar in deine Spardose gesteckt hast.«
    »Ja, den habe ich noch.«
    »Kannst du ihn bitte holen?« bat sie ihn. »Ich möchte mal den Namen darauf sehen.«
    Pat sah sie prüfend an. Als Neil das Zimmer verlassen hatte, sprach er über die Köpfe der übrigen Kinder hinweg. »Erzählt mir nur nicht, daß ihr spart…«
    Plötzlich hatte sie das Gefühl, sich lächerlich zu machen.
    »Ach, komm, iß auf, Schatz. Ich glaube, ich bin einfach etwas nervös. Es sind Leute wie ich, die der Polizei immer die Zeit stehlen. Komm Kit, reich mir deinen Teller herüber. Ich schneide dir das Stück Pastete, so wie du es gern hast.«
    24
    Alles lief so völlig verkehrt. Nichts klappte, wie er sich das vorgestellt hatte. Erst kam dieses verrückte Weibsstück hierher
    – und dann das kleine Mädchen: warten müssen, bis sie aufwachte, wenn sie überhaupt aufwachte, weil er nur spüren konnte, wie sie sich drehte und wand und sich von ihm loszureißen versuchte. Und jetzt war ihm auch noch der Junge entwischt und hatte sich versteckt. Er mußte ihn finden.
    Courtney hatte ein Gefühl, als ob ihm alles aus den Händen glitt. Das Gefühl der Vorfreude und Erwartung war längst in Enttäuschung und Ärger umgeschlagen. Er schwitzte zwar nicht mehr, aber der Schweiß hing immer noch schwer in seiner Kleidung, so daß sie ihm ganz unangenehm am Körper klebte. Der Gedanke an die großen blauen Augen des Jungen, in denen er Nancy wiedererkannte, lösten in ihm keine Begierde mehr aus.
    Der Junge stellte eine Gefahr dar. Wenn der entkam, war es aus mit ihm. Besser beiden den Hals umdrehen und sie ins Jenseits befördern, wie damals. Auf der Stelle konnte er sich alle Gefahren vom Halse schaffen – die Luft abdrücken, Lippen und Nasenlöcher und Augen zuhalten – und dann, in ein paar Stunden, bei Hochflut, ihre Leichen in die aufgewühlte Brandung schleudern. Keiner wüßte etwas davon. Er wäre wieder in Sicherheit, es gäbe keine Gefahr mehr für ihn, und er könnte sich an Nancys Qualen weiden.
    Und morgen abend, wenn die ganze Gefahr vorüber war, würde er zum Festland fahren. Er würde in der Dämmerung aufbrechen, und vielleicht ging da irgendein kleines Mädchen

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