Winterträume
»Sie ist ein Wunder. Du bist ein Glückspilz.«
Das Jahr verging. Irgendwann wurden sie der Hotels überdrüssig. Sie kauften sich ein altes Haus und zwanzig Morgen Land in der Nähe der Ortschaft Marlowe, eine halbe Stunde von Chicago entfernt; kauften sich ein kleines Auto und zogen voller Übermut aufs Land, mit Pioniersflausen im Kopf, über die sich selbst ein Abenteurer wie Balboa gewundert hätte.
»Dies wird dein Zimmer!«, riefen sie abwechselnd.
Und dann: »Und dies meins!«
»Und dies das Zimmer für die Kinder, wenn wir erst welche haben!«
»Und wir bauen eine überdachte Veranda an, auf der wir schlafen können – ach, vielleicht im nächsten Jahr!«
Im April zogen sie ein. Im Juli kam Jeffreys bester Freund Harry Cromwell für eine Woche zu Besuch – sie erwarteten ihn am Ende des langen Rasens und eilten stolz mit ihm zum Haus.
Harry war ebenfalls verheiratet. Seine Frau hatte etwa sechs Monate zuvor ein Baby zur Welt gebracht und erholte sich noch bei ihrer Mutter in New York. Roxanne hatte Jeffreys Äußerungen entnommen, dass Harrys Frau nicht so attraktiv sei wie Harry; Jeffrey selbst war ihr einmal begegnet und hatte sie »seicht« gefunden. Aber Harry war seit fast zwei Jahren mit ihr verheiratet und schien glücklich zu sein, also nahm Jeffrey an, dass sie wohl in Ordnung sein musste…
»Ich backe gerade Biskuits«, plapperte Roxanne gewichtig drauflos. »Kann deine Frau Biskuits backen? Die Köchin zeigt mir, wie es geht. Ich finde, jede Frau sollte Biskuits backen können. Es klingt ganz einfach entwaffnend. Eine Frau, die Biskuits backen kann, wird bestimmt nichts Böses…«
»Du musst auch hierherziehen«, sagte Jeffrey. »Dir ein Haus auf dem Land suchen wie wir – ein Haus für dich und Kitty.«
»Du kennst Kitty nicht. Sie hasst das Landleben. Sie braucht ihre Theater und Vaudevilles.«
»Zieh mit ihr hierher«, wiederholte Jeffrey. »Dann haben wir eine Kolonie. Es sind schon ein paar wahnsinnig nette Leute hier. Zieh mit ihr hierher!«
Sie waren jetzt bei den Stufen zum Haus angelangt, und Roxanne wies mit einer schwungvollen Geste auf ein baufälliges Gebäude zu ihrer Rechten.
»Die Garage«, verkündete sie. »Außerdem wird Jeffrey sich dort noch in diesem Monat sein Schreibzimmer einrichten. Abendessen ist übrigens um sieben. Und bis es so weit ist, mixe ich noch einen Cocktail.«
Die beiden Männer stiegen zur ersten Etage hinauf – oder besser gesagt halb hinauf, denn auf dem ersten Absatz ließ Jeffrey den Koffer seines Gastes fallen und stieß eine Frage hervor, die fast ein Ausruf war:
»Herrgott noch mal, Harry, wie findest du sie?«
»Lass uns erst mal raufgehen«, antwortete sein Gast, »und die Tür hinter uns zumachen.«
Als sie eine halbe Stunde später zusammen in der Bibliothek saßen, kam Roxanne aus der Küche, ein Blech voller Biskuits in den Händen. Jeffrey und Harry standen auf.
»Sie sehen wunderschön aus, Liebes«, sagte ihr Ehemann inbrünstig.
»Herrlich«, murmelte Harry.
Roxanne strahlte.
»Probiert doch mal eins. Ich habe es nicht über mich gebracht, sie anzurühren, bevor ihr sie nicht alle gesehen habt, und nun will ich sie auf keinen Fall wieder mitnehmen, bevor ich nicht weiß, wie sie schmecken.«
»Wie Manna, Liebling.«
Gleichzeitig führten beide Männer ein Biskuit zum Mund, knabberten vorsichtig daran. Gleichzeitig versuchten sie, das Thema zu wechseln. Aber Roxanne ließ sich nicht täuschen, stellte das Blech ab und nahm sich selbst ein Biskuit. Eine Sekunde später erschallte ihr Urteil, das von düsterer Endgültigkeit war: »Absolut erbärmlich!«
»Also…«
»Mir ist nicht aufgefallen, dass…«
Roxanne brach in Gelächter aus.
»Ach, es ist zwecklos mit mir«, rief sie lachend. »Schick mich weg, Jeffrey – ich bin ein Parasit; ich bin zu nichts nütze…«
Jeffrey legte den Arm um sie.
»Liebling, ich esse deine Biskuits.«
»Wenigstens sehen sie schön aus«, behauptete Roxanne.
»Sie sind – sie sind dekorativ«, warf Harry ein.
Jeffrey stürzte sich auf sein Stichwort. »Genau das ist es. Sie sind dekorativ; es sind Meisterwerke. Wir werden etwas daraus machen.«
Er lief in die Küche und kam mit einem Hammer und einer Handvoll Nägel zurück.
»Natürlich, Roxanne, wir machen etwas daraus! Und zwar einen Fries!«
»Bitte nicht!«, jammerte Roxanne. »Unser schönes Haus.«
»Keine Sorge. Wir wollten die Bibliothek doch ohnehin im Oktober neu tapezieren lassen. Weißt du nicht
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