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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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wert. In meinem Spitznamen ist Gelee drin, so weiches und wabbeliges Zeug. Leute, die nichts waren, als meine Familie viel darstellte, die rümpfen die Nase, wenn sie auf der Straße an mir vorbeilaufen.«
    Wieder schwieg Clark.
    »Und das reicht mir jetzt. Ich geh heute noch weg. Und wenn ich je wiederkomme, dann als Gentleman.«
    Clark holte sein Taschentuch heraus und trocknete sich die feuchte Stirn. »Bist nicht der Einzige, den die Sache durchgerüttelt hat«, sagte er trübsinnig. »Aber mit dieser ganzen Art, wie die Mädchen sich heute so aufführen, ist es bald vorbei. Eigentlich auch wieder schade, aber alle werden’s einsehen müssen.«
    »Meinst du denn«, fragte Jim erstaunt, »dass alles durchgesickert ist?«
    »Durchgesickert? Wie hätten sie’s denn geheim halten können! Heute Abend wird’s in allen Zeitungen stehen. Doktor Lamar muss ja irgendwie seinen Namen retten.«
    Jim stützte sich mit den Händen am Auto ab und drückte seine langen Finger gegen das Metall. »Heißt das, Taylor hat die Schecks geprüft?«
    Jetzt war es Clark, der erstaunt war. »Hast du denn nicht gehört, was passiert ist?«
    Jims erschrockener Blick war Antwort genug.
    »Also«, verkündete Clark theatralisch, »die vier haben sich noch eine Flasche Whiskey besorgt, sich vollends betrunken und beschlossen, die Stadt zu schockieren – und so haben Nancy und dieser Merritt heute Morgen um sieben Uhr früh in Rockville geheiratet.«
    Unter den Fingern von Jelly-bean entstand eine kleine Delle im Metall. »Geheiratet?«
    »Allerdings. Nancy war dann irgendwann wieder nüchtern und ist ganz schnell in die Stadt zurückgekommen, heulend und zu Tode erschrocken – hat beteuert, es wär alles ein Irrtum gewesen. Zuerst ist Doktor Lamar wahnsinnig wütend geworden und wollte Merritt umbringen, aber dann haben sie sich irgendwie wieder eingekriegt, und Nancy und Merritt sind um halb drei mit dem Zug nach Savannah gefahren.«
    Jim schloss die Augen und bezwang mit Mühe die Übelkeit, die ihn überkam.
    »Ein Jammer«, sagte Clark philosophisch. »Nicht dass sie geheiratet haben – das ist wohl in Ordnung, auch wenn ich nicht glaube, dass Nancy irgendwas für ihn empfindet. Aber es ist eine Schande, wenn so ein nettes Mädchen seiner Familie eine derartige Kränkung zufügt.«
    Jelly-bean ließ das Auto los und drehte sich um. Erneut ging irgendetwas in ihm vor, eine unerklärliche, aber fast chemische Veränderung.
    »Wo willst du hin?«, fragte Clark.
    Jelly-bean wandte sich um und blickte ausdruckslos über die Schulter zurück. »Muss jetzt gehen«, murmelte er. »Bin zu lange auf den Beinen; fühl mich richtig krank.«
    »Oh.«
    Um drei war es heiß auf der Straße, um vier noch heißer, und der Aprilstaub schien die Sonne einzuspinnen und wieder freizugeben, ein Streich, so alt wie die Welt, der einer Ewigkeit von Nachmittagen immer aufs Neue gespielt wird. Doch um halb fünf fiel ein erster Ruheschleier, und die Schatten unter den Markisen und den schwer belaubten Bäumen wurden länger. In dieser Hitze war nichts mehr von Belang. Alles Leben war Wetter, ein Aushalten der heißen Stunden, deren Ereignisse für die kühlen Stunden, sanft und zärtlich wie die Hand einer Frau auf einer müden Stirn, keine Bedeutung hatten. In Georgia gibt es das vielleicht unausgesprochene Empfinden, dass dies die größte Weisheit des Südens ist – und so betrat Jelly-bean nach einer Weile einen Billardsalon an der Jackson Street, wo er sicher sein konnte, auf Gleichgesinnte zu treffen, die all die alten Witze machen würden – jene Witze, die er kannte.

Der Bodensatz des Glücks
     
    I
     
    Sollten Sie einmal in den Archiven alter Zeitschriften aus den ersten Jahren des gegenwärtigen Jahrhunderts blättern, würden Sie, eingeklemmt zwischen den Erzählungen von Richard Harding Davis, Frank Norris und anderen längst Verstorbenen, das Werk eines gewissen Jeffrey Curtain finden: ein, zwei Romane und vielleicht drei oder vier Dutzend Kurzgeschichten. Letztere könnten Sie, falls es Sie denn interessierte, ungefähr bis zum Jahr 1908 verfolgen; dann verschwinden sie plötzlich von der Bildfläche.
    Wenn Sie sie alle gelesen hätten, wäre Ihnen ziemlich klar, dass hier keine Meisterwerke vorliegen, sondern mehr oder minder unterhaltsame Geschichten, inzwischen ein bisschen veraltet, aber damals zweifellos dazu geeignet, einem eine langweilige halbe Stunde im Wartezimmer eines Zahnarztes zu vertreiben. Der Autor war intelligent, würden

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