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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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hatte.
    Ohne Eile beugte er sich vor und berührte ihre Lippen.
    Er seufzte, und beide waren auf eine gewisse Art erleichtert – erleichtert, dass die lästigen Konventionen, an die man sich in einer solche Situation noch immer halten musste, nun überwunden waren.
    »Danke«, sagte er wie in dem Moment, als sie den Motor abgeschaltet hatte.
    »Gefällt es dir hier jetzt?«
    Ihre blauen Augen schauten ihn in der Dunkelheit an, ohne zu lächeln.
    »In gewisser Weise – ja; aber das gilt natürlich nie uneingeschränkt.«
    Erneut neigte er sich zu ihr hinüber, doch sie beugte sich vor und ließ den Motor an. Es war spät, und Yanci wurde allmählich müde. Der Zweck des Experiments war erfüllt. Er hatte bekommen, worum er sie gebeten hatte. Wenn er es schön gefunden hatte, würde er mehr davon haben wollen, und das gab ihr einen kleinen Vorsprung in dem Spiel, mit dem sie soeben begonnen hatte.
    »Ich habe Hunger«, sagte sie. »Lass uns in die Stadt fahren und etwas essen.«
    »Wie du meinst«, willigte er traurig ein. »Dabei hat es mir gerade so gut gefallen – hier am Mississippi.«
    »Findest du mich schön?«, fragte sie beinahe wehleidig, während sie den Wagen zurücksetzte.
    »Was für eine absurde Frage!«
    »Aber ich höre es so gern.«
    »Ich wollte es dir ja eben sagen – als du den Motor angelassen hast.«
    In der Stadt setzten sie sich in ein menschenleeres Lokal, das die ganze Nacht geöffnet hatte, und aßen Eier mit Speck. Sie war jetzt bleich wie Elfenbein. Die Nacht hatte ihrem Gesicht die träge Lebendigkeit und matte Farbe entzogen. Sie bat ihn, ihr von New York zu erzählen, bis er jeden Satz mit »Na schön, also, mal sehen…« begann.
    Danach fuhren sie nach Hause. Scott half ihr, den Wagen in der kleinen Garage zu parken, und vor der Haustür ließ sie ihn noch einmal die Andeutung eines Kusses auf ihre Lippen hauchen. Dann ging sie hinein.
    Das längliche Wohnzimmer, das die ganze Breite des kleinen Stuckhauses einnahm, war in das rötliche Licht eines verlöschenden Kaminfeuers getaucht, welches bei Yancis Aufbruch hell gebrannt hatte und jetzt nur noch stetig und ohne Geflacker glomm. Sie nahm ein Holzscheit aus dem Korb und warf es auf die Kohlen – und erschrak, als sie aus dem Halbdunkel am anderen Ende des Raums eine Stimme vernahm.
    »Schon zurück?«
    Es war die Stimme ihres Vaters, noch nicht gänzlich nüchtern, aber wach und vernünftig.
    »Ja. Bin spazieren gefahren«, antwortete sie kurz angebunden und setzte sich auf einen Korbstuhl beim Feuer. »Dann war ich noch in der Stadt und habe etwas gegessen.«
    »Aha!«
    Ihr Vater erhob sich und setzte sich ebenfalls auf einen Stuhl beim Feuer, wo er sich mit einem Seufzer ausstreckte. Als sie aus dem Augenwinkel verstohlen zu ihm hinüberschaute – entschlossen, eine angemessene Kälte zu zeigen –, nahm Yanci fasziniert zur Kenntnis, dass er innerhalb von zwei Stunden seine ganze Würde wiedererlangt hatte. Das ergrauende Haar war fast makellos frisiert; das feine Gesicht hatte die gleiche gesunde Farbe wie immer. Nur seine Augen, kreuz und quer von kleinen roten Linien durchzogen, zeugten von seiner jüngsten Ausschweifung.
    »Hast du dich gut amüsiert?«
    »Warum willst du das wissen?«, antwortete sie grob.
    »Warum nicht?«
    »Vorhin schien es dich nicht weiter zu interessieren. Ich habe dich gebeten, zwei Personen für mich nach Hause zu bringen, und du warst nicht einmal in der Lage, mit deinem eigenen Auto zu fahren.«
    »Und ob ich dazu in der Lage war!«, protestierte er. »Ich hätte bei einem – bei einem verdammten Rennen in der Arana, Areaena mitfahren können. Diese Mrs. Rogers hat darauf bestanden, dass ihr junger Verehrer fährt, was hätte ich denn da machen sollen?«
    »Das ist nicht ihr junger Verehrer«, erwiderte Yanci scharf. Sie sprach jetzt kein bisschen gedehnt mehr. »Sie ist so alt wie du. Er ist ihre Nichte – ihr Neffe, meine ich.«
    »Verzeihung!«
    »Ich finde, du solltest dich bei mir entschuldigen.« Sie merkte auf einmal, dass sie ihm gar nicht böse war. Eher tat er ihr leid, und ihr wurde bewusst, dass sie ihn mit ihrer Bitte, Mrs. Rogers nach Hause zu fahren, auf gewisse Weise in seiner Freiheit eingeschränkt hatte. Trotzdem, Disziplin war notwendig – es würde schließlich noch weitere Samstagabende geben. »Findest du nicht?«
    »Es tut mir leid, Yanci.«
    »Gut, ich nehme deine Entschuldigung an«, antwortete sie steif.
    »Und ich werde es auch wiedergutmachen.«
    Ihre

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