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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Tabaks zu warnen.
    Doch blieb er selbst nach diesem Vorfall weiterhin bei seiner Haltung. Er brachte Benjamin Zinnsoldaten mit, er brachte ihm Spielzeugeisenbahnen mit, er brachte ihm große lustige Stofftiere mit, und um die Illusion, die er – zumindest für sich selbst – dabei war zu erschaffen, noch perfekter zu machen, fragte er den Verkäufer im Spielzeugladen besorgt, ob denn »von der rosa Holzente auch nicht die Farbe abgeht, wenn das Baby sie in den Mund steckt«. Aber sein Vater konnte sich noch so viel Mühe geben, Benjamin war nicht geneigt, für dergleichen Dinge auch nur das mindeste Interesse an den Tag zu legen. Er stahl sich lieber die Hintertreppe hinunter, um sich einen Band der Encyclopedia Britannica zu holen, in dem er dann den ganzen Nachmittag schmökerte, derweil seine Stoffkühe und seine Arche Noah unbeachtet auf dem Fußboden herumlagen. Gegen solche Verstocktheit vermochten Mr. Buttons Anstrengungen herzlich wenig auszurichten.
    In Baltimore war die Sache zunächst einmal eine Riesensensation. Über die gesellschaftlichen Konsequenzen, die das Missgeschick für die Buttons und ihre Verwandtschaft hätte haben können, lässt sich indes nicht viel sagen, da der Ausbruch des Bürgerkriegs die Aufmerksamkeit der Stadtbewohner auf andere Dinge lenkte. Ein paar unverdrossen höfliche Leute zermarterten sich das Hirn nach Komplimenten, die sie den Eltern machen könnten, und verfielen zu guter Letzt auf die sinnreiche List, dem Baby viel Ähnlichkeit mit seinem Großvater zu bescheinigen, was eingedenk der ganz normalen, allen Siebzigjährigen gemeinsamen Verfallserscheinungen auch gar nicht zu bestreiten war. Mr. und Mrs. Roger Button waren von dieser Bemerkung allerdings nicht eben erbaut, und Benjamins Großvater fand sie höchst empörend und war zutiefst gekränkt.
    Benjamin selbst nahm das Leben, sobald er die Klinik verlassen hatte, wie es eben kam. Etliche Male erhielt er Besuch von kleinen Jungen und brachte den Nachmittag damit zu, dass er sich trotz seiner steifen Glieder redlich Mühe gab, Interesse an Kreiseln und Glasmurmeln zu bekunden – einmal gelang es ihm sogar rein zufällig, mit einer Steinschleuder ein Küchenfenster einzuschlagen – ein Kunststückchen, über das sein Vater insgeheim erfreut war.
    Von da an brachte Benjamin es fertig, jeden Tag irgendetwas kaputtzumachen, doch tat er diese Dinge einzig und allein, weil sie von ihm erwartet wurden und er von Natur aus ein entgegenkommender Mensch war.
    Von seinem Großvater hatte Benjamin anfangs wenig Zuneigung erfahren, doch mit der Zeit legte sich der Widerwille des alten Mannes, und die beiden hatten sehr viel Freude aneinander. Stundenlang konnten diese zwei, so grundverschieden sie auch an Jahren und Erfahrung waren, zusammensitzen und sich wie alte Freunde mit unermüdlicher Monotonie über die Ereignisse ihrer träge und nahezu ereignislos verstreichenden Tage austauschen. Bei seinem Großvater fühlte sich Benjamin viel wohler als bei seinen Eltern, die ihm stets mit einer gewissen Scheu begegneten und ihn trotz der uneingeschränkten Gewalt, die sie über ihn besaßen, nicht selten mit »Mister« ansprachen.
    Ihm selbst war sein sowohl körperlich als auch geistig unübersehbar fortgeschrittenes Geburtsalter nicht minder rätselhaft als allen anderen. Er las im medizinischen Journal nach, musste aber feststellen, dass dort von keinem einzigen derartigen Fall berichtet wurde. Auf Drängen seines Vaters gab er sich aufrichtig Mühe, mit anderen Knaben zu spielen, und nahm auch an den weniger wilden Spielen recht oft teil – Football strengte ihn zu sehr an, zumal er Angst hatte, dass seine alten Knochen, falls er sie sich brach, nicht wieder würden zusammenwachsen wollen.
    Mit fünf Jahren schickte man ihn in den Kindergarten, wo er eingeweiht wurde in die Kunst, grünes Papier auf orangefarbenes zu kleben, kleine bunte Untersetzer zu flechten und nicht enden wollende Halsketten zu basteln. Er neigte dazu, bei diesen Tätigkeiten mitunter wegzudösen, eine Angewohnheit, die bei seiner jungen Erzieherin nicht allein Unmut erweckte, sondern auch Besorgnis hervorrief. Er war erleichtert, als sie sich bei seinen Eltern beschwerte und er aus der Anstalt herausgenommen wurde. Ihren Freunden gegenüber behaupteten die Eheleute Roger Button, sie hätten den Eindruck gehabt, dass er doch noch zu klein sei für den Kindergarten.
    Als er zwölf war, hatten sich seine Eltern an ihn gewöhnt. O ja, so gewaltig ist

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