Winterträume
mich doch schließlich nicht zum Affen –«
»Zum Affen hast du mich gemacht!«, rief Mr. Button aufbrausend. »Es ist völlig egal, ob du komisch aussiehst, du ziehst jetzt diese Sachen da an, oder – oder es setzt eine Tracht Prügel.« Bei den beiden letzten Wörtern musste er unbehaglich schlucken, hatte aber dennoch das Gefühl, genau das Richtige gesagt zu haben.
»Ist gut, Vater«, versetzte der Alte in grotesker Nachäffung kindlichen Respekts, »du bist der Ältere; du kennst dich besser aus. Ganz, wie du meinst.«
Auch diesmal wieder zuckte Mr. Button bei dem Wort »Vater« auf das heftigste zusammen.
»Und beeil dich gefälligst.«
»Ich beeil mich doch, Vater.«
Als sein Sohn fertig angezogen war, sah Mr. Button ihn sich überaus bekümmert an. Das Kostüm bestand aus getüpfelten Socken, einer Hose in leuchtendem Rosa und einer gegürteten Bluse mit einem großen weißen Kragen, über den der lange, weißliche Bart wallte, der ihm fast bis auf den Bauch reichte. Die Wirkung war nicht gerade überzeugend.
»Warte!«
Mr. Button schnappte sich eine Klinikschere und amputierte mit drei raschen Schnitten einen Gutteil des Bartes. Allein, auch nach dieser Verbesserung war das Ensemble noch immer weit davon entfernt, vollkommen zu sein. Der verbliebene Pinsel aus zerzaustem Haar, die wässrigen Augen, die alten Zähne, all das passte so gar nicht zu dem lustigen Anzug. Doch Mr. Button ließ sich nicht beirren – er streckte den Arm aus. »Komm mit!«, sagte er finster.
Zutraulich fasste sein Sohn ihn bei der Hand. »Wie wollt ihr mich denn nennen, Daddy?«, quäkte er, während sie die Säuglingsstation verließen – »vielleicht fürs Erste einfach bloß ›Baby‹, bis euch ein besserer Name eingefallen ist?«
Mr. Button knurrte. »Ich weiß nicht«, antwortete er brüsk. »Ich glaub, wir nennen dich Methusalem.«
III
Man schnitt dem Zuwachs der Familie Button die schütteren Haare kurz, färbte sie unnatürlich schwarz und rasierte ihm das Gesicht so glatt, dass es glänzte, man steckte ihn in einen Anzug für kleine Jungen, den ein verdutzter Schneider nach strikten Anweisungen angefertigt hatte, und doch vermochte Roger Button auch nach alledem nicht darüber hinwegzusehen, dass sein Sohn wohl schwerlich den Vorstellungen entsprach, die eine Familie sich normalerweise von ihrem ersten Baby macht. Schließlich maß Benjamin Button – denn so und nicht Methusalem, was zwar angemessen, aber gehässig gewesen wäre, hatte man ihn genannt – trotz seiner altershalber gebückten Haltung einen Meter siebzig, was seine Kleider ebenso wenig verbargen, wie das Stutzen und Färben seiner Augenbrauen die Tatsache verhehlen konnte, dass die Augen darunter verwaschen, wässrig und müde waren. Und wirklich hatte das im Voraus verpflichtete Kindermädchen gleich nach dem ersten Blick in heller Empörung das Haus verlassen.
Mr. Button aber wich trotz allem keinen Zollbreit von seiner Haltung ab. Benjamin war ein Baby, und genau das sollte er auch bleiben. Anfänglich hatte der gestrenge Vater sogar verfügt, dass Benjamin, wenn er keine warme Milch möge, eben überhaupt keine Nahrung bekommen solle, hatte sich dann aber erweichen lassen und seinem Sohn zumindest Butterbrote und immerhin – als Kompromiss – auch Hafergrütze erlaubt. Eines Tages brachte er eine Rassel mit nach Hause, drückte sie Benjamin in die Hand und beharrte starrsinnig darauf, dass dieser damit »spielen« solle, worauf der Alte das Ding mit gottergebener Miene in die Hand nahm und man ihn den ganzen Tag in regelmäßigen Abständen artig klappern hörte.
Es besteht allerdings kein Zweifel daran, dass ihn die Rassel langweilte und er, wenn er allein zu Hause war, anderen Vergnügungen nachging, die besser dazu angetan waren, ihn zu beruhigen. Zum Beispiel stellte Mr. Button eines Tages fest, dass er in der vorangegangenen Woche mehr Zigarren als je zuvor geraucht hatte; auf die Erklärung für dieses Phänomen sollte er einige Tage später stoßen; als er nämlich überraschend ins Kinderzimmer trat, waberte dort ein leichter blauer Nebelschleier durch den Raum, und Benjamin versuchte mit schuldbewusster Miene den Stummel einer schwarzen Havanna zu verbergen. Das rief natürlich geradezu nach einer kräftigen Tracht Prügel, doch Mr. Button brachte es einfach nicht über sich, dem Jungen diese auch zu verabfolgen. Stattdessen ließ er es dabei bewenden, seinen Sohn vor der »wachstumshemmenden« Wirkung des
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