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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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fasste ihn streng ins Auge. »Also wirklich, Mr. Button, Sie erwarten doch wohl nicht, dass ich Ihnen das abnehme.«
    Benjamin lächelte müde. »Ich bin achtzehn«, wiederholte er.
    Hierauf wies ihm der Kanzler unnachgiebig die Tür. »Verschwinden Sie!«, rief er. »Verschwinden Sie von dieser Universität, und verschwinden Sie aus dieser Stadt. Sie sind wohl verrückt geworden, Sie sind ja gemeingefährlich.«
    »Ich bin achtzehn.«
    Mr. Hart riss die Türe auf. »Allein der Gedanke!«, brüllte er. »Ein Mann Ihres Alters, und will hier anfangen zu studieren. Achtzehn Jahre sind Sie alt? Nun gut, ich gebe Ihnen achtzehn Minuten, um aus dieser Stadt zu verschwinden.«
    Hoch erhobenen Hauptes verließ Benjamin Button, begleitet von den neugierigen Blicken eines halben Dutzends im Flur wartender Studenten, den Raum. Als er ein paar Schritte gegangen war, drehte er sich noch einmal um, sah den erzürnten Kanzler, der nach wie vor in der Tür stand, unverwandt an und wiederholte mit fester Stimme: »Ich bin achtzehn Jahre alt.«
    Verfolgt vom kehrreimartig immer wieder von neuem aufflackernden Gekicher der versammelten Studenten, ging Benjamin seiner Wege.
    Allein, es war ihm nicht beschieden, so leicht davonzukommen. Als er geknickt in Richtung Bahnhof trottete, merkte er auf einmal, dass ihm zuerst nur ein Grüppchen, dann ein ganzer Schwarm und schließlich eine dichtgedrängte Schar von Studenten hinterherkam. Wie ein Lauffeuer hatte sich die Kunde verbreitet, ein Irrer habe das Eingangsexamen in Yale bestanden und sich für einen achtzehnjährigen Jüngling ausgeben wollen. Die ganze Universität war regelrecht wie im Fieber. Männer ohne Hut kamen aus den Hörsälen gestürzt, das Football-Team brach sein Training ab und schloss sich der Rotte an, Professorengattinnen mit schief auf dem Kopf sitzender Haube und verrutschter Turnüre rannten johlend hinter der Prozession her, aus der heraus in einem fort gehässige Bemerkungen auf Benjamin Button abgefeuert wurden, die ihn in seinem zarten, empfindsamen Gemüt treffen sollten.
    »Das muss der Ewige Jude sein!«
    »Der ist doch noch viel zu jung, der gehört auf die Grundschule!«
    »Schaut euch den Wunderknaben an! Der dachte wohl, das hier, das ist ein Altenstift!«
    »Scher dich doch nach Harvard!«
    Benjamin beschleunigte seinen Schritt, und bald schon rannte er. Er würde es ihnen zeigen! Er würde in der Tat nach Harvard gehen, und eines Tages sollte es ihnen leidtun, dass sie ihn so unbedacht verspottet hatten!
    Als er sicher im Zug nach Baltimore saß, streckte er den Kopf zum Fenster hinaus. »Das werdet ihr noch mal bereuen!«, rief er.
    »Haha!«, lachten die Studenten. »Hahaha!« Das war der größte Fehler, den man in Yale jemals gemacht hatte…
    V
     
    Im Jahre 1880 feierte Benjamin Button seinen zwanzigsten Geburtstag, und um die Bedeutung dieses Datums zu unterstreichen, trat er gleichentags seinen Dienst in der väterlichen Firma an, bei Roger Button & Co., Eisenwarengroßhandel. In ebenjenem Jahr wurde er auch nach und nach »in die Gesellschaft eingeführt«, was heißen soll, sein Vater nahm ihn mit zu etlichen eleganten Tanzabenden. Roger Button war mittlerweile fünfzig, und das Verhältnis zwischen ihm und seinem Sohn wurde immer freundschaftlicher, zumal man sie, seit Benjamin aufgehört hatte, sich die (noch immer angegrauten) Haare zu färben, für gleichaltrig halten konnte und sie leicht als Brüder hätten durchgehen können.
    Eines Abends im August bestiegen sie, beide in Frack und Zylinder, den Zweispänner und fuhren zu einem Tanzdinner in das vor den Toren Baltimores gelegene Landhaus der Shevlins. Es war ein herrlicher Abend. Der Vollmond überflutete die ganze Straße mit seinem Licht und verlieh ihr die Farbe von mattiertem Platin, und die spät erblühten Feldblumen verströmten Düfte in die unbewegte Luft, die einem leisen, kaum hörbaren Lachen glichen. Das weite Land, ringsherum Rute um Rute mit einem Teppich von leuchtendem Weizen bedeckt, schimmerte wie bei Tag. Es war nahezu unmöglich, von der reinen Schönheit des Himmels nicht ergriffen zu sein – nahezu.
    »Die Zukunft liegt im Textilgewerbe«, sagte Roger Button. Er war kein Schöngeist – sein ästhetisches Empfinden war eher unterentwickelt.
    »So einem alten Gaul wie mir bringt man keine neuen Tricks mehr bei«, bemerkte er tiefsinnig. »Ihr jungen Leute, ihr habt Kraft und Schwung, euch gehört die Zukunft.«
    Nun tauchte – ferne noch – oben am Ende

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