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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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bedeckt, besteht er aus einem Diamanten. Aus einem einzigen, eine Kubikmeile großen, lupenreinen Diamanten. Hörst du mir zu? Sag mal –«
    Doch John T. Unger war bereits wieder eingeschlafen.
    III
     
    Morgen. Als er erwachte, stellte er, noch vom Schlaf umflort, fest, dass der Raum sich im selben Augenblick mit Sonnenlicht füllte. Die Ebenholzpaneele der einen Wand waren auf Schienen beiseitegeglitten, so dass das Tageslicht hereinströmte. Ein hochgewachsener Neger in einer weißen Livree stand neben Johns Bett.
    »Guten Abend«, murmelte John und mühte sich, seine Gedanken, die sich noch an wilden Orten herumtrieben, zu sammeln.
    »Guten Morgen, Sir. Wäre Ihnen ein Bad recht, Sir? Nein, stehen Sie nicht auf – ich kümmere mich um alles. Wenn Sie nur den Schlafanzug aufknöpfen würden. Danke, Sir.«
    John lag da und ließ sich den Schlafanzug ausziehen – er war amüsiert und entzückt, denn er erwartete, von diesem schwarzen Gargantua wie ein Kind aufgehoben und getragen zu werden, doch nichts dergleichen geschah. Statt dessen spürte er, dass das Bett sich langsam neigte – er rollte, zunächst erschrocken, in Richtung der Wand, wo sich ein Vorhang öffnete. Über eine etwa zwei Meter lange flauschige Rampe glitt er sanft in ein Becken voll Wasser, das genau Körpertemperatur hatte.
    Er sah sich um. Die Rampe oder Rutsche war wieder eingefahren. Er befand sich in einem anderen Raum, in einer im Fußboden versenkten Wanne. Alle Wände sowie die Seiten und der Boden der Wanne bestanden aus Glas, und dahinter war eine blaue Aquarienwelt. Beleuchtet von warmem, bernsteinfarbenem Licht schwammen Fische umher und strichen ohne jede Neugier an seinen ausgestreckten Zehen vorbei, von denen sie lediglich durch das Glas getrennt waren. Durch meergrüne Fenster in der Decke schien die Sonne.
    »Ich nehme an, Sir, Ihnen wäre heute Morgen warmes Rosenwasser mit Schaumzusatz recht, Sir – und als Abschluss vielleicht kaltes Salzwasser.«
    Der Neger stand neben ihm.
    »Ja«, sagte John mit einem geistlosen Lächeln, »wie Sie meinen.« Jeder Gedanke daran, das Bad nach seinen eigenen bescheidenen Ansprüchen zu bestellen, wäre ihm irgendwie pedantisch und zugleich ein wenig gemein erschienen.
    Der Neger drückte auf einen Knopf, und sogleich fiel – scheinbar von der Decke – ein warmer Regen. In Wirklichkeit strömte das Wasser, wie John rasch feststellte, aus Düsen, die sich neben der Wanne befanden. Es nahm eine zartrosa Tönung an, und flüssige Seife spritzte aus vier Miniaturwalrossköpfen, die an den Ecken der Wanne montiert waren. Ein Dutzend in die Seiten der Wanne eingelassene Schaufelräder schlugen einen rosaroten Schaum, der John in köstlichen Wolken umfing. Hier und da platzten schimmernde, duftende Blasen.
    »Soll ich den Filmprojektor einschalten, Sir?«, erkundigte sich der Neger ehrerbietig. »Eine kurze Komödie befindet sich bereits im Apparat – ich kann aber auch einen ernsteren Film einlegen, wenn Sie es wünschen, Sir.«
    »Nein, danke«, antwortete John höflich, aber entschieden. Er genoss das Bad so sehr, dass er keinen Wunsch nach Ablenkung verspürte. Die gab es dennoch: Mit einem Mal erklang in unmittelbarer Nähe eine Flötenmusik, eine Melodie wie ein Wasserfall, so kühl und grün wie der Raum selbst, und die erste Stimme wurde von einer Pikkoloflöte gespielt, deren Töne zarter zu sein schienen als die Seifenblasen, die John einhüllten und umschmeichelten.
    Nach einem abschließenden kalten Salzwasserguss stieg er aus der Wanne und zog einen flauschigen Bademantel an. Dann legte er sich auf eine mit demselben Material bezogene Liege und wurde mit Öl, Alkohol und duftenden Essenzen eingerieben. Anschließend nahm er in einem weich gepolsterten Sessel Platz und ließ sich rasieren und die Haare schneiden.
    »Mr. Percy erwartet Sie in Ihrem Salon, Sir«, sagte der Neger, als die Prozedur beendet war. »Mein Name ist Gygsum, Mr. Unger, Sir. Ich werde Mr. Unger jeden Morgen zur Verfügung stehen.«
    John trat in den hellen Sonnenschein, der seinen Salon durchflutete. Dort stand ein Frühstück für ihn bereit, und Percy, der modische Knickerbocker aus weißem Glacéleder trug, saß in einem Sessel und rauchte.
    IV
     
    Den folgenden kurzen Abriss der Geschichte der Familie Washington erzählte Percy seinem Freund beim Frühstück.
    Der Vater des gegenwärtigen Mr. Washington stammte aus Virginia und war ein direkter Nachfahre von George Washington und Lord Baltimore. Am

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