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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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einen schwarzen Umriss und stieß einen Ruf aus, worauf ein rundes Licht aufleuchtete und sie aus der undurchdringlichen Finsternis wie ein böses Auge musterte. Als sie sich näherten, sah John, dass es sich um das Rücklicht einer Limousine handelte – sie war größer und prächtiger als alle, die er je gesehen hatte. Ihre Karosserie bestand aus einem schimmernden Metall, edler als Nickel und heller als Silber, und die Radnaben waren mit grün und gelb glitzernden geometrischen Mustern verziert – John wagte nicht zu raten, ob es sich um buntes Glas oder Juwelen handelte.
    Zwei Neger in tressenbesetzten Livreen, wie man sie von Bildern königlicher Auftritte in London kennt, standen in Habachtstellung neben dem Automobil, und als die beiden jungen Männer aus dem Einspänner stiegen, wurden sie in einer Sprache begrüßt, die der Gast nicht verstand, die aber eine extreme Form des Dialekts zu sein schien, den die Neger in den Südstaaten sprachen.
    »Steig ein«, sagte Percy zu seinem Freund, während ihre Koffer auf den elfenbeinernen Dachgepäckträger geladen wurden. »Tut mir leid, dass du so weit mit dem Pferdewagen fahren musstest, aber es wäre nicht gut, wenn die Leute im Zug oder diese gottverlassenen Burschen in Fish dieses Automobil sehen würden.«
    »Donnerwetter! Was für ein Wagen!« Dieser Ausruf bezog sich auf das Innere der Limousine. John sah, dass die Bespannung der Polster aus einem mit zahllosen winzigen, zarten Seidenbildern durchwirkten und überdies mit Juwelen bestickten Goldstoff bestand. Die beiden jungen Männer ließen sich in Armsessel sinken, deren Polster mit einem Stoff bezogen waren, der an Duvetin erinnerte, in Wirklichkeit aber aus dem in mannigfachen Tönen gefärbten Flaum von Straußenfedern bestand.
    »Was für ein Wagen!«, staunte John noch einmal.
    »Das Ding hier?« Percy lachte. »Das ist doch bloß eine alte Karre. Wir benützen ihn als Lieferwagen.«
    Inzwischen glitten sie durch die Dunkelheit auf den Einschnitt zwischen den Bergen zu.
    »In eineinhalb Stunden sind wir da«, sagte Percy mit einem Blick auf seine Uhr. »Ich sag’s dir lieber gleich: Es ist anders als alles, was du je gesehen hast.«
    Wenn der Wagen ein Vorgeschmack auf das war, was John zu sehen bekommen würde, durfte er gespannt sein. Der erste Artikel des in Hades vorherrschenden schlichten Verhaltenskodex fordert die aufrichtige, respektvolle Verehrung von Reichtum – hätte John sich ihm anders genähert als in froher Demut, so hätten seine Eltern sich, entsetzt ob dieser Lästerung, von ihm abgewendet.
    Sie hatten den Einschnitt zwischen den Bergen erreicht. Sogleich wurde der Weg erheblich holpriger.
    »Wenn das Mondlicht bis hier herunterscheinen würde, könntest du sehen, dass wir durch ein breites ausgetrocknetes Flussbett fahren«, sagte Percy und spähte aus dem Fenster. Er sagte etwas in eine Sprechmuschel. Unverzüglich schaltete einer der Diener einen Scheinwerfer an, dessen gewaltiger Strahl über die Landschaft strich.
    »Steinig, wie du siehst. Ein gewöhnlicher Wagen wäre nach einer halben Stunde nur noch Schrott. Wenn man den Weg nicht genau kennt, kommt man eigentlich nur mit einem Panzer durch. Jetzt fahren wir in die Berge.«
    Tatsächlich ging es immer weiter hinauf, und nach wenigen Minuten hatten sie eine Anhöhe erreicht und sahen in der Ferne den soeben aufgegangenen bleichen Mond. Der Wagen blieb unvermittelt stehen, und rechts und links tauchten Gestalten aus dem Dunkel auf. Auch sie waren Neger und begrüßten die beiden jungen Männer in demselben kaum verständlichen Dialekt. Dann befestigten sie vier dicke, von irgendwo herabhängende Seile an den Naben der großen, juwelengeschmückten Räder. Ein »He-jaa!« erklang, und John spürte, dass der Wagen langsam abhob und höher und höher hinaufschwebte, höher noch als die Felsen rechts und links, bis man in ein sanft gewelltes, mondbeschienenes Tal sehen konnte – ein scharfer Kontrast zu der Steinwüste, die sie hinter sich gelassen hatten. Nur zu einer Seite befand sich noch eine Felswand, und dann verschwand auch sie.
    Offenbar hatten sie eine gewaltige, senkrecht aufragende Messerklinge aus Stein überquert. Schon senkten sie sich wieder hinab und setzten schließlich mit einem sanften Ruck auf.
    »Das Schlimmste haben wir hinter uns«, sagte Percy und sah mit zusammengekniffenen Augen aus dem Fenster. »Jetzt sind es nur noch fünf Meilen, und zwar auf unserer eigenen Straße aus bunt glasierten

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