Winterträume
blieb, las er ihnen eine selbst verfasste Proklamation vor, nach der General Forrest die versprengten Truppen des Südens gesammelt und die Nordstaaten in einer entscheidenden Schlacht besiegt hatte. Die Neger glaubten ihm. Nach kurzer Abstimmung verkündeten sie, das sei eine gute Sache, und hielten einen Erweckungsgottesdienst ab.
Fitz-Norman machte sich mit einhunderttausend Dollar und zwei großen Koffern voller Rohdiamanten in allen Größen auf die Reise ins Ausland. Auf einer chinesischen Dschunke segelte er nach Russland und traf sechs Monate nach seinem Aufbruch in Montana in St. Petersburg ein. Er stieg in einer unauffälligen Herberge ab, suchte sogleich den Hofjuwelier auf und verkündete, er habe einen Diamanten für den Zaren. Zwei Wochen blieb er in St. Petersburg, in ständiger Gefahr, ermordet zu werden. Mehrmals wechselte er sein Quartier, und in der ganzen Zeit wagte er sich nicht mehr als drei- oder viermal zu seinen Koffern.
Nachdem er versprochen hatte, in einem Jahr mit noch größeren und schöneren Steinen zurückzukehren, ließ man ihn nach Indien ausreisen. Zuvor allerdings hatte ihm der Hof fünfzehn Millionen Dollar auf amerikanische, unter vier verschiedenen Namen eröffnete Konten angewiesen.
1868 kehrte er nach Amerika zurück – er war etwas mehr als zwei Jahre fort gewesen, hatte die Hauptstädte von zweiundzwanzig Ländern aufgesucht, mit fünf Kaisern, elf Königen, drei Prinzen, einem Schah, einem Khan und einem Sultan gesprochen und schätzte sein Vermögen auf eine Milliarde Dollar. Eine Tatsache sprach nach wie vor gegen eine Enthüllung seines Geheimnisses: Jeder einzige seiner größeren Steine verfügte kaum eine Woche nach seiner Präsentation über eine Geschichte so vieler durch ihn verursachter Katastrophen, Liebesaffären, Revolutionen und Kriege, dass es für die Zeit vom babylonischen Reich bis zur Gegenwart gereicht hätte.
Von 1870 bis zu seinem Tod im Jahr 1900 war Fitz-Norman Washingtons Geschichte ein einziges langes, in Gold geschriebenes Epos, das natürlich über gewisse Seitenstränge verfügte: Er sabotierte die Vermessung des Landes, heiratete eine Frau aus Virginia, mit der er einen Sohn hatte, und war aufgrund einer Reihe unglücklicher Komplikationen gezwungen, seinen Bruder zu ermorden, dessen unglückselige Angewohnheit, sich in einen Zustand trüber Redseligkeit zu trinken, die Sicherheit des Unternehmens mehrmals gefährdet hatte. Nur wenige weitere Morde warfen einen Schatten über diese glücklichen Jahre des Fortschritts und der Expansion.
Kurz vor seinem Tod änderte er seine Politik und wendete bis auf ein paar Millionen Dollar sein gesamtes offizielles Vermögen auf, um große Mengen wertvoller Mineralien zu kaufen, die er dann, als billigen Plunder getarnt, in den Schließfächern von Banken in aller Welt verwahrte. Sein Sohn Braddock Tarleton Washington ging sogar noch einen Schritt weiter: Die Steine wurden gegen Radium, das wertvollste Mineral der Welt, eingetauscht, so dass der Gegenwert von einer Million Golddollar bequem in einem Behälter von der Größe einer Zigarrenkiste Platz hatte.
Drei Jahre nach Fitz-Normans Tod fand sein Sohn Braddock, das Geschäft sei nun weit genug gediehen. Der Geldwert der Steine, die sein Vater und er aus dem Berg zutage gefördert hatten, ließ sich nicht mehr genau beziffern. Er machte sich verschlüsselte Notizen über die ungefähre Menge des Radiums, das er in Tausenden von Banken in aller Welt deponiert hatte, und vermerkte die Decknamen, die er dabei verwendet hatte. Und dann tat er etwas ganz Einfaches: Er schloss die Mine.
Er schloss die Mine. Was er ihr entnommen hatte, würde allen zukünftigen Generationen von Washingtons ein Leben in unerhörtem Luxus ermöglichen. Seine einzige Sorge galt der Bewahrung seines Geheimnisses, denn die Panik, die bei einer Enthüllung möglicherweise ausbrechen würde, konnte ihn und die anderen Besitzenden in aller Welt in bitterste Armut stürzen.
Das also war die Familie, bei der John T. Unger zu Gast war. Und das war die Geschichte, die er am Morgen nach seiner Ankunft in seinem mit Silber ausgeschlagenen Salon hörte.
V
Nach dem Frühstück begab sich John zu dem großen Marmorportal und betrachtete neugierig die Szenerie, die sich ihm darbot. Das ganze Tal, vom Diamantberg bis zu den fünf Meilen entfernten schroffen Granitwänden, schien noch einen zarten goldenen Hauch zu verströmen, der reglos über den gepflegten Rasenflächen, Seen
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