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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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er sich, als er den beiden jungen Männern steif einen guten Abend wünschte. Doch seine schlechte Laune schwand, als Jonquil ihn im trüben Licht der Eingangshalle wie gewohnt an sich zog und auf etliche Arten, von denen die beste wortlos war, zum Ausdruck brachte, wie sehr sie ihn vermisst hatte. Ihre Innigkeit beruhigte ihn, versprach seinem bangen Herzen, dass alles gut werden würde.
    Sie setzten sich zusammen auf das Sofa, beide von der Gegenwart des anderen überwältigt und zu nichts als den flüchtigsten Zärtlichkeiten imstande. Zur Abendessenszeit erschienen Jonquils Eltern, die sich freuten, George zu sehen. Sie mochten ihn und hatten sich bei seinem ersten Besuch in Tennessee vor gut einem Jahr sehr für seine Ingenieurslaufbahn interessiert. Dass er sie aufgegeben hatte und nach New York gezogen war, um sich dort eine Arbeit zu suchen, mit der er schneller anständig verdienen würde, fanden sie schade, doch auch wenn sie diese Abkürzung seines Berufswegs bedauerten, zeigten sie Verständnis für ihn und waren bereit, der Verlobung zuzustimmen. Beim Abendessen fragten sie ihn, wie er in New York vorankomme.
    »Alles läuft gut«, erklärte er mit großem Eifer. »Ich bin befördert worden – habe jetzt ein besseres Gehalt.«
    Er fühlte sich elend, als er das sagte – aber sie freuten sich alle so sehr.
    »Offenbar ist man Ihnen dort gewogen«, sagte Mrs. Cary, »das steht fest – sonst würde man Ihnen nicht zweimal innerhalb von drei Wochen freigeben, damit Sie hierherkommen können.«
    »Ich habe ihnen gesagt, das müssten sie tun«, erklärte George hastig, »– sonst würde ich nicht mehr für sie arbeiten.«
    »Aber Sie sollten Ihr Geld lieber sparen«, tadelte Mrs. Cary ihn sanft. »Und nicht alles für diese teure Reise ausgeben.«
    Das Essen war vorüber – er und Jonquil waren allein, und sie kam wieder in seine Arme.
    »Ich bin so froh, dass du hier bist«, seufzte sie. »Ich wünschte, du würdest nie wieder weggehen, Liebling.«
    »Vermisst du mich?«
    »O ja, sehr, sehr.«
    »Wirst du – bekommst du häufig Besuch von anderen Männern? Wie diesen beiden jungen Kerlen?«
    Die Frage erstaunte sie. Die dunklen Samtaugen schauten ihn groß an.
    »Aber natürlich. Andauernd. Aber – das habe ich dir doch in meinen Briefen geschrieben, Liebster.«
    Das stimmte; schon bei seinem ersten Besuch war sie von etlichen jungen Männern umschwärmt worden, die sie wegen ihrer malerischen Zerbrechlichkeit anbeteten, wie es nur Halbwüchsige vermögen; wenige unter ihnen, die in ihren schönen Augen auch die Vernunft und die Sanftmut erkannten.
    »Erwartest du denn, dass ich nie ausgehe«, fragte Jonquil und lehnte sich im Sofakissen zurück, bis sie ihn aus mehreren Meilen Entfernung anzusehen schien, »und nur die Hände falte und stillsitze – für immer?«
    »Was meinst du damit?«, stieß er in Panik hervor. »Glaubst du, ich werde nie genug Geld haben, um dich zu heiraten?«
    »Ach, bitte ziehe nicht solche voreiligen Schlüsse, George.«
    »Ich ziehe keine voreiligen Schlüsse. Das hast du eben gesagt.«
    George spürte plötzlich, dass er sich auf gefährlichem Terrain befand. Er hatte nicht vorgehabt, sich diesen Abend von irgendetwas verderben zu lassen. Als er versuchte, sie wieder in die Arme zu nehmen, sträubte sie sich unversehens und sagte: »Es ist heiß. Ich hole schnell den elektrischen Ventilator.«
    Als der Ventilator aufgestellt war, setzten sie sich wieder, doch George war überreizt und sprang unwillkürlich in ebenjene Welt hinein, die er hatte meiden wollen. »Wann heiratest du mich?«
    »Willst du denn, dass ich dich heirate?«
    Schlagartig ließen ihn seine Nerven im Stich, und er schoss hoch. »Lass uns doch den verdammten Ventilator ausschalten«, rief er. »Er macht mich wahnsinnig. Wie eine Uhr tickt er alle Zeit weg, die ich mit dir verbringen kann. Ich bin hergekommen, um glücklich zu sein und New York und die Zeit zu vergessen…«
    Genauso plötzlich, wie er aufgestanden war, sank er wieder auf das Sofa zurück. Jonquil schaltete den Ventilator aus, zog Georges Kopf in ihren Schoß und begann, sein Haar zu streicheln.
    »Lass uns hier so sitzen«, sagte sie sanft, »lass uns ganz ruhig hier sitzen, und ich wiege dich in den Schlaf. Du bist ja ganz müde und nervös, und dein Schatz kümmert sich jetzt um dich.«
    »Aber ich will hier nicht so sitzen«, klagte er und richtete sich ruckartig auf. »Ich will überhaupt nicht so dasitzen. Ich will, dass du mich

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