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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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liege. Sag mir, dass alles meine Schuld war! Sag es! Ich will hören, dass du es sagst!
    Doch während die Versöhnung schon in der Luft lag, während beide sie noch ein wenig hinauszögerten, damit sie umso wollüstiger und gefühlsseliger in ihr schwelgen konnten, wenn es so weit war, machte ihnen der zwanzig Minuten währende Telefonanruf einer geschwätzigen Tante Bettys einen Strich durch die Rechnung. Angestachelt durch Stolz, Misstrauen und verletzte Würde zog Perry Parkhurst nach achtzehn Minuten seinen Pelzmantel an, nahm seinen hellbraunen weichen Hut und stolzierte zur Tür hinaus.
    »Es ist vorbei, aus und vorbei«, murmelte er kummervoll, während er den ersten Gang einzulegen versuchte. »Aus und vorbei – und wenn du eine Stunde lang herumwürgst, du Miststück!« Letzteres an die Adresse des Wagens gerichtet, der eine Weile in der Kälte gestanden hatte und nicht sofort ansprang.
    Er fuhr in die Stadt, anders gesagt: Er geriet auf eine glatte Schneespur, die ihn in die Stadt beförderte. Er hockte zusammengesunken auf seinem Sitz und war viel zu niedergeschlagen, um sich darum zu scheren, wohin er fuhr.
    Vor dem Clarendon Hotel rief ein übles Subjekt namens Baily vom Gehsteig aus seinen Namen, ein Mann mit großen Zähnen, der im Hotel wohnte und noch nie verliebt gewesen war.
    »Perry«, sagte das üble Subjekt einschmeichelnd, als der Sportwagen neben ihm anhielt, »ich habe sechs Liter des gottverdammtesten stillen Champagners, den Sie je zu trinken bekommen haben. Ein Drittel davon gehört Ihnen, Perry, wenn Sie mit hinaufkommen und Martin Macy und mir helfen, ihn zu vernichten.«
    »Baily«, sagte Perry mit zusammengebissenen Zähnen, »ich trinke Ihren Champagner, und zwar bis auf den letzten Tropfen. Selbst wenn es mich umbringt.«
    »Reden Sie keinen Quatsch!«, sagte das üble Subjekt liebenswürdig. »Champagner wird nicht mit Methylalkohol gebraut. Das ist der Wein, der beweist, dass die Welt seit mehr als sechstausend Jahren besteht. Er ist so alt, dass die Korken versteinert sind. Man muss sie mit einem Steinbohrer herausholen.«
    »Nehmen Sie mich mit hinauf«, sagte Perry schwermütig. »Wenn diese Korken mein Herz sehen, rutschen sie vor Verlegenheit von allein aus den Flaschenhälsen.«
    Das Hotelzimmer war freigebig mit den unschuldigen Hotelbildern dekoriert, auf denen kleine Mädchen in Äpfel beißen und auf Schaukeln sitzen und Hunden gut zureden. Als zusätzliche Dekoration gab es Krawatten und einen rosighäutigen Mann, der eine rosa Zeitschrift las, die sich mit Damen in rosa Strumpfhosen befasste.
    »Die Ernte ist groß, der Arbeiter aber sind wenige«, sagte der rosige Mann und sah Baily und Perry vorwurfsvoll an.
    »Hallo, Martin Macy«, sagte Perry ohne viel Umstände. »Wo ist der Champagner aus der Steinzeit?«
    »Warum so eilig? Das ist keine militärische Operation, verstanden? Das ist eine Party.«
    Perry setzte sich missmutig und bedachte die vielen Krawatten mit einem tadelnden Blick.
    Baily öffnete langsam die Tür eines Kleiderschranks und förderte sechs ansehnliche Flaschen zutage.
    »Ziehen Sie den verdammten Pelzmantel aus!«, sagte Martin Macy zu Perry. »Oder wollen Sie, dass wir die Fenster aufreißen?«
    »Ich will Champagner«, sagte Perry.
    »Heute für den Zirkusball der Townsends verabredet?«
    »Nee!«
    »Eingeladen?«
    »Hmm.«
    »Und warum dann nicht hingehen?«
    »Ach, ich kann keine Partys mehr sehen«, rief Perry. »Ich kann sie nicht mehr ertragen. Ich war auf so vielen Partys, dass sie mir zum Hals raushängen.«
    »Gehen Sie vielleicht zur Party von Howard Tate?«
    »Nein, ich hab doch gesagt, dass ich sie alle leid bin.«
    »Nun ja«, sagte Macy beruhigend, »die Tate-Party ist sowieso nur für Collegekinder.«
    »Ich sagte doch –«
    »Ich dachte, Sie wären auf dem Weg zu irgendeiner Party. In der Zeitung habe ich gelesen, dass Sie bisher keine Weihnachtseinladung ausgelassen haben.«
    »Hm«, grunzte Perry missmutig.
    Nie wieder würde er eine Party besuchen. Klassische Worte gingen ihm durch den Kopf – dieser Teil des Lebens war abgeschlossen, abgeschlossen. Sobald ein Mann diese Worte in diesem Ton sagt, kann man sich fast immer darauf verlassen, dass er von einer Frau an der Nase herumgeführt wurde, wenn man es so ausdrücken darf. Und auch einen weiteren klassischen Gedanken dachte Perry, den Gedanken, wie feige Selbstmord doch war. Ein edler Gedanke, wärmend und erbaulich. Wenn man bedachte, wie viele edle Männer verloren

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