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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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von Masken den Besucher augenlos an, und es gab Glaskästen voller Kronen und Szepter und Juwelen und gewaltiger Mieder und Theaterschminke und Haarkrepp und Perücken in allen Farben.
    Als Perry in den Laden geschlendert kam, sperrte Mrs. Nolan gerade die letzten Mühen eines anstrengenden Tages in einer Schublade voller rosa Seidenstrümpfe weg, wie sie glaubte.
    »Was kann ich für Sie tun?«, fragte sie pessimistisch.
    »Kostüm von Julius Hur, dem Wagenlenker.«
    Mrs. Nolak bedauerte, aber jeder Fingerbreit Wagenlenker sei schon lange verliehen. Für den Zirkusball der Townsends?
    Richtig.
    »Bedaure«, sagte sie, »aber ich fürchte, es ist nichts mehr da, was wirklich zum Zirkus gehört.«
    Das war ein Problem.
    »Hm«, sagte Perry. Dann hatte er plötzlich eine Idee. »Wennse ’n Stück Segeltuch haben, kann ich als Zelt gehn.«
    »Bedaure, aber so was führen wir nicht. Das müssten Sie sich in einem Haushaltswarengeschäft besorgen. Wir haben ein paar sehr hübsche Konföderierte.«
    »Nee. Keine Soldaten.«
    »Ich hätte auch einen sehr schönen König.«
    Perry schüttelte den Kopf.
    »Einige der Gentlemen«, fuhr sie hoffnungsvoll fort, »gehen als Zirkusdirektor mit Zylinderhut und Frack, aber unsere Zylinder sind aus. Ich könnte Ihnen etwas Haarkrepp für einen Schnurrbart geben.«
    »Will was Besonderes.«
    »Etwas – lassen Sie mich überlegen. Nun ja, wir hätten einen Löwenkopf, eine Gans und ein Kamel –«
    »Kamel?« Der Gedanke ergriff von Perrys Phantasie Besitz und ließ sie nicht mehr los.
    »Ja, aber dafür braucht man zwei Leute.«
    »Kamel. Das isses. Zeigenses mir.«
    Das Kamel wurde von seinem Ruhelager auf einem der oberen Regalböden geholt. Auf den ersten Blick schien es fast nur aus einem sehr eingefallenen, kadaverfarbenen Kopf und einem mächtigen Höcker zu bestehen, doch ausgebreitet wies es zudem ein dunkelbraunes, unappetitlich aussehendes Fell aus dickem Baumwollstoff auf.
    »Sie sehen, dafür braucht man zwei Leute«, erklärte Mrs. Nolak, die Perry das Kamel mit ungeheuchelter Bewunderung entgegenhielt. »Wenn Sie einen Freund hätten, könnte er mitmachen. Sehen Sie, die Beine sind sozusagen Hosen für zwei Personen. Ein Paar für den Vordermann, ein Paar für den Hintermann. Der Vordermann besorgt das Sehen durch diese Augen hier, und der Hintermann muss sich bloß bücken und hinter dem Vordermann hergehen.«
    »Ziehnses an«, befahl Perry.
    Gehorsam steckte Mrs. Nolak ihr Katzengesicht in den Kopf des Kamels und schüttelte ihn wild hin und her.
    Perry war fasziniert.
    »Was für Geräusche macht so ’n Kamel?«
    »Was?«, fragte Mrs. Nolak, deren Gesicht wieder auftauchte und etwas verschmiert aussah. »Ach, was für Geräusche? Na ja, so eine Art Eselsgeschrei.«
    »Ich seh’s mir im Spiegel an.«
    Vor einem großen Spiegel setzte Perry sich den Kopf auf und drehte und wendete ihn zufrieden. In der funzeligen Beleuchtung war die Wirkung tadellos. Das Gesicht des Kamels war eine wahre Studie in Pessimismus, verziert mit zahlreichen Abschürfungen, und es war nicht zu leugnen, dass sein Fell sich in dem für Kamele typischen Zustand der Verwahrlosung befand – tatsächlich gehörte es dringend gereinigt und gebügelt –, doch eindrucksvoll war es ohne jede Frage. Es war majestätisch. Es hätte in jeder Gesellschaft Aufmerksamkeit erregt, allein durch die melancholische Ausstrahlung seiner Miene und den hungrigen Ausdruck, der seine schattigen Augen umringte.
    »Sie sehen, dass man dafür zwei Leute braucht«, wiederholte Mrs. Nolak.
    Perry hob versuchsweise Körper und Beine des Kostüms an und wickelte sie sich um den Leib, wobei er die Hinterbeine als Gürtel benutzte. Das Ergebnis war nicht befriedigend. Es war geradezu respektlos – ähnlich wie die mittelalterlichen Bilder, auf denen Satan durch seine Dienste einen Mönch in ein Untier verwandelt. Günstigstenfalls erinnerte das Ganze an eine Kuh mit Buckel, die inmitten von Decken auf den Hinterbeinen saß.
    »Iss nich so überzeugend«, resümierte Perry finster.
    »Nein«, sagte Mrs. Nolak. »Jetzt sehen Sie selbst, dass man zwei Leute dafür braucht.«
    Blitzartig kam Perry eine Lösung in den Sinn.
    »Sind Sie heute Abend schon verabredet?«
    »Oh, ich könnte auf keinen Fall –«
    »Ach, kommense«, sagte Perry aufmunternd. »Klar könnense! Hier! Seinse kein Spielverderber und kletternse in die Hinterbeine.«
    Nicht ohne Schwierigkeiten fand er sie und hielt ihre gähnende Tiefe

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