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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Mrs. Nolak einladend entgegen. Doch sie wirkte nicht sonderlich begeistert. Störrisch wich sie zurück.
    »O nein –«
    »Ach, kommense schon! Wennse wolln, dürfense die Vorderbeine nehmen. Oder wir losen.«
    »O nein –«
    »Sie werns nich bereun.«
    Mrs. Nolak presste entschlossen die Lippen aufeinander.
    »Schluss jetzt damit!«, sagte sie unverblümt. »So hat sich noch keiner der Gentlemen aufgeführt. Mein Mann –«
    »Sie haben ’n Mann?«, fragte Perry. »Wo steckt er?«
    »Zu Hause.«
    »Wie’s die Telefonnummer?«
    Nach umständlichem Hin und Her erlangte er die Nummer der Laren und Penaten des Nolak’schen Hausstandes und nahm Verbindung auf zu der müden Fistelstimme, die er schon früher an diesem Tag vernommen hatte. Mr. Nolak war von Perrys brillanter Beredsamkeit zwar überrumpelt und nicht wenig verwirrt, doch er blieb unverrückbar standhaft. Er weigerte sich rundheraus und durchaus würdevoll, Mr. Perry aus der Verlegenheit zu helfen, indem er die Rolle des Kamelhinterteils übernahm.
    Nachdem er oder vielmehr Mr. Nolak aufgelegt hatte, setzte Perry sich auf einen dreibeinigen Hocker und überlegte. Er sagte sich die Namen jener Freunde auf, die er anrufen konnte, und dann hielten seine Gedanken inne, als Betty Medills Name sich undeutlich und trauerumflort in seinem Geist einstellte. Ein sentimentaler Einfall kam ihm. Er würde sie fragen. Ihre Liebschaft gehörte der Vergangenheit an, doch diese letzte Bitte konnte sie ihm nicht abschlagen. Es war weiß Gott nicht viel, was er verlangte; sie sollte ihm lediglich einen kurzen Abend lang helfen, seinen sozialen Verpflichtungen nachzukommen. Und wenn sie unbedingt darauf bestand, durfte sie das Vorderteil des Kamels abgeben, und er würde sich mit dem Hinterteil begnügen. Seine Großmut rührte ihn. In Gedanken malte er sich bereits rosenfarbene Träume von zarten Versöhnungsszenen im Inneren des Kamels aus, wo sie vor den Augen der Welt verborgen wären…
    »Sie entscheiden sich besser langsam.«
    Mrs. Nolaks spießbürgerliche Stimme riss ihn aus seinen süßen Träumen und spornte ihn zum Handeln an. Er ging zum Telefon und wählte die Nummer der Medills. Miss Betty war ausgegangen; zum Abendessen ausgegangen.
    Und da, als die Lage aussichtslos erschien, wanderte kurioserweise das Hinterteil des Kamels von ganz allein in den Laden. Es handelte sich um ein schäbiges Individuum mit einem Schnupfen, das generell den Eindruck eines Abwärtstrends vermittelte. Es hatte sich die Mütze tief über Augen und Ohren gezogen und hielt das Kinn tief auf die Brust gesenkt, der Mantel hing ihm auf die Schuhe, und es sah heruntergekommen und abgerissen aus, ja – Heilsarmee hin, Heilsarmee her – verwahrlost. Es gab sich als Fahrer des Taxis zu erkennen, das der Gentleman vor dem Clarendon Hotel angehalten hatte. Ihm war aufgetragen worden, draußen zu warten, doch es hatte eine ganze Weile gewartet und zu argwöhnen begonnen, der Gentleman habe möglicherweise den Hinterausgang gewählt, um sich vor der Bezahlung zu drücken – was Gentlemen ab und zu taten –, und deshalb war es hereingekommen. Es ließ sich auf den dreibeinigen Hocker sinken.
    »Hättense Lust auf ’ne Party?«, fragte Perry streng.
    »Muss arbeiten«, antwortete der Taxifahrer missmutig. »Will meinen Job nicht verlieren.«
    »Iss ’ne prima Party.«
    »Ist auch ein prima Job.«
    »Kommense!«, drängte Perry. »Seinse kein Spielverderber. Sehense nur, wie hübsch!« Er hielt das Kamel hoch, und der Taxifahrer betrachtete es zynisch.
    »Ha!«
    Perry suchte fieberhaft in den Falten des Kostüms.
    »Sehense nur!«, rief er begeistert und hielt einen Arm voller Falten hoch. »Das iss Ihr Teil. Sie müssen nich mal reden, sondern nur gehn – und ab und zu sitzen. Sitzen dürfen nämlich nur Sie allein. Das müssense mal bedenken. Ich muss die ganze Zeit stehn, während Sie ab und zu sitzen können. Ich kann nur sitzen, wenn wir uns hinlegen, aber Sie sitzen – na ja, soviel Sie wollen. Verstehense?«
    »Was ist das für ein Ding?«, fragte das Individuum misstrauisch. »Ein Leichentuch?«
    »Nich im Entferntesten«, sagte Perry empört. »Das iss ’n Kamel.«
    »Häh?«
    Nun brachte Perry einen Geldbetrag ins Spiel, und die Unterhaltung verließ den Bereich der Grunzlaute und nahm einen praktischen Charakter an. Perry und der Taxifahrer probierten das Kamel vor dem Spiegel an.
    »Sie können’s zwar nich sehn«, erklärte Perry, der aufgeregt durch die

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