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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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war sein Plan – mit allen Details. Sein Instinkt fürs Dramatische ist wohl mit ihm durchgegangen, und er überzeugte mich, das sei der schonendste Ausweg.«
    »Komm zum Ende«, befahl Myra knapp.
    »Na ja, es lief ganz toll, dachten wir jedenfalls. Alles – das Treffen am Bahnhof, die Szene beim Abendessen, der Schrei in der Nacht, das Varieté – obwohl ich meinte, das sei ein bisschen zu dick aufgetragen – bis… bis… Oh, Myra, als du unter dem Bild ohnmächtig wurdest und ich dich hilflos wie einen Säugling in den Armen hielt, da wusste ich, dass ich dich liebe. Da tat mir das alles leid, Myra.«
    Eine lange Pause trat ein, während deren sie reglos dasaß, ihre Hände immer noch ihre Knie umfassend. Plötzlich brach es ungestüm und voll leidenschaftlicher Aufrichtigkeit aus ihm heraus:
    »Myra!«, rief er. »Wenn es irgendeine Möglichkeit gibt, dass du dich dazu überwinden könntest, mir zu vergeben und alles zu vergessen, dann will ich dich heiraten, wann immer du willst, und dich mein Leben lang lieben, und meine Familie kann sich von mir aus zum Teufel scheren.«
    Sie überlegte lange; Knowleton stand auf und begann nervös zwischen den kahlen Büschen auf und ab zu gehen, die Hände in die Taschen vergraben. Jetzt hatten seine müden Augen einen kläglichen, dumpf flehenden Blick. Schließlich kam sie zu einer Entscheidung.
    »Bist du dir absolut sicher?«, fragte sie ruhig.
    »Ja.«
    »Sehr gut; dann heirate ich dich heute noch.«
    Ihre Worte klärten die Atmosphäre, seine Sorgen schienen von ihm abzufallen wie ein zerlumpter Mantel. Eine herbstliche Sonne glitt hinter den grauen Wolken hervor, und das trockene Buschwerk raschelte leise in der sanften Brise.
    »Es war ein schwerer Fehler«, sagte sie weiter, »aber wenn du dir jetzt sicher bist, dass du mich liebst, dann ist das ja die Hauptsache. Wir fahren noch heute Morgen in die Stadt, besorgen uns die Eheerlaubnis, und ich rufe meinen Cousin an, der Geistlicher in der Ersten Presbyterianischen Kirche ist. Wir können heute Abend in den Westen abreisen.«
    »Myra!«, jubelte er lauthals. »Du bist wunderbar, und ich bin es nicht wert, dir die Schuhe zu schnüren. Ich werde alles wiedergutmachen, mein Liebling.«
    Damit schloss er ihren geschmeidigen Körper in seine Arme und bedeckte ihr Gesicht mit Küssen.
    Die nächsten zwei Stunden vergingen wie im Flug. Myra ging zum Telefon, rief ihren Cousin an und eilte dann hinauf, um zu packen. Als sie wieder herunterkam, wartete wie von Zauberhand gesandt ein chromglänzender Sportwagen in der Auffahrt, und gegen zehn rollten sie bereits glücklich auf die Stadt zu.
    Sie unterbrachen ihre Fahrt für einige Minuten am Rathaus und noch einmal beim Juwelier, dann waren sie auch schon im Haus von Reverend Walter Gregory an der 69th Street, wo ein frömmelnder Herr mit funkelnden Augen und leichtem Stottern sie herzlich willkommen hieß und vor der Zeremonie noch zu einem Frühstück mit Eiern und Speck drängte.
    Auf dem Weg zum Bahnhof hielten sie nur einmal an, gerade lange genug, um Knowletons Vater zu telegrafieren, so dass sie in kürzester Zeit in ihrem Abteil des Broadway Limited saßen.
    »So ein Mist!«, rief Myra, »ich habe meine Tasche vergessen. Muss sie in der Aufregung bei Cousin Walter vergessen haben.«
    »Das macht doch nichts. Wir können dir in Chicago alles neu besorgen.«
    Sie schaute auf ihre Armbanduhr.
    »Wir haben doch noch Zeit; ich rufe ihn an, er soll sie mir nachschicken.«
    Sie erhob sich.
    »Aber mach nicht zu lange, Liebes.«
    Sie beugte sich vor und gab ihm einen Kuss auf die Stirn.
    »Das könnte ich gar nicht, das weißt du doch. Nur zwei Minuten, Schatz.«
    Draußen lief Myra schnell den Bahnsteig entlang und die Stahltreppe zum großen Wartesaal hinauf, wo ein Mann auf sie wartete – ein Mann mit funkelnden Augen, der leicht stotterte.
    »Na, w-wie ist es gelaufen, M-Myra?«
    »Alles bestens! Oh, Walter, du warst hinreißend. Ich wünsche mir beinahe, du würdest Pfarrer werden, damit du die Trauung übernehmen könntest, wenn ich wirklich mal heirate.«
    »Na ja – ich ha-hab ja auch ’ne halbe Stunde geübt, nachd-dem du angerufen hattest.«
    »Nur schade, dass wir nicht mehr Zeit hatten. Ich hätte ihn auch noch dazu gebracht, ein Apartment zu mieten und Möbel zu kaufen.«
    »Ch-ch«, kicherte Walter. »B-bin ja gespannt, w-wie weit er kommt mit seinen Flitterwochen.«
    »Oh, er wird glauben, ich sei im Zug, bis er in Elizabeth ankommt.« Sie schüttelte

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