Winterträume
Augenlöcher spähte, »aber Ehrenwort, alter Freund, Sie sehn einfach umwerfend aus! Umwerfend!«
Als Antwort auf dieses etwas fragwürdige Kompliment ertönte aus dem Hinterteil des Kamels ein Grunzlaut.
»Ehrenwort, Sie sehn umwerfend aus!«, wiederholte Perry voller Begeisterung. »Gehense mal ’n paar Schritte.«
Die Hinterbeine bewegten sich vorwärts, so dass es aussah, als setzte ein riesiges Katzenkamel mit gekrümmtem Rücken zum Sprung an.
»Nein, gehense zur Seite.«
Die Hüften des Kamels schoben sich geschmeidig auseinander; jeder Hulatänzer hätte sich vor Neid gewunden.
»Großartig, was?«, sagte Perry beifallheischend zu Mrs. Nolak.
»Sieht wundervoll aus«, pflichtete Mrs. Nolak ihm bei.
»Wir nehmen es«, sagte Perry.
Das Bündel wurde unter Perrys Arm verstaut, und die beiden verließen den Laden.
»Fahrnse zu der Party!«, befahl Perry, der im Fond des Wagens Platz nahm.
»Welche Party?«
»Kostümball.«
»Und wo ist das?«
Das stellte Perry vor ein neues Problem. Er versuchte sich zu erinnern, doch die Namen aller Familien, die während der Feiertage Partys gegeben hatten, tanzten verwirrend vor seinen Augen. Er konnte Mrs. Nolak fragen, doch als er aus dem Wagenfenster blickte, sah er, dass im Laden kein Licht mehr brannte. Mrs. Nolak war bereits entschwunden, ein kleiner dunkler Fleck am Ende der verschneiten Straße.
»Fahrnse stadtauswärts«, dirigierte Perry den Fahrer mit nobler Zuversicht. »Wennse ’ne Party sehn, haltense an. Und sonst sag ich Ihnen Bescheid, wenn wir da sind.«
Er verfiel in einen verschwommenen Tagtraum, und seine Gedanken wanderten wieder zu Betty – undeutlich kam es ihm vor, als hätten sie eine Auseinandersetzung gehabt, weil Betty sich geweigert hatte, als Hinterteil des Kamels auf die Party zu gehen. Gerade war er im Begriff, in einen kühlen Schlummer zu geraten, als der Taxifahrer ihn dadurch weckte, dass er die Wagentür aufriss und ihn am Arm schüttelte.
»Vielleicht ist es das hier.«
Perry blickte schläfrig hinaus. Eine gestreifte Markise führte vom Gehsteig zu einem ausladenden grauen Steingebäude, aus dem das leise, schlagzeuggesättigte Klagen teurer Jazzmusik ertönte. Er erkannte das Haus der Familie Howard Tate.
»Sicher«, sagte er voller Überzeugung, »das isses! Die Party der Tates heute Abend. Klar, da gehn alle hin.«
»Hören Sie«, sagte das Individuum besorgt, nachdem es einen Blick auf die Markise geworfen hatte, »sind Sie sicher, dass die Leute nicht auf mir rumtrampeln, wenn sie mich hier erwischen?«
Perry richtete sich würdevoll auf.
»Wenn Ihnen jemand frech kommt, brauchen Sie ihm nur zu sagen, dass Sie zu meinem Kostüm gehören.«
Die Vorstellung, eher ein Gegenstand als eine Person zu sein, schien das Individuum zu beruhigen.
»In Ordnung«, sagte es zögerlich.
Perry stieg aus und begann im Schutz der Markise das Kamel zu entfalten. »Auf geht’s«, befahl er.
Minuten später hätte man sehen können, wie ein melancholisches, hungrig aussehendes Kamel, dessen Maul und edler Höcker Rauchwolken absonderten, die Schwelle des Wohnsitzes der Familie Howard Tate überschritt, an einem Diener vorbeistapfte, dessen Verblüffung es nicht einmal mit einem Grunzen quittierte, und schnurstracks auf die Haupttreppe zusteuerte, die zum Ballsaal führte. Das Tier bewegte sich mit einer besonderen Gangart, die zwischen unstetem Gleichschritt und wildem Drauflosrennen schwankte und am ehesten als Hinken bezeichnet werden konnte. Das Kamel hatte einen leicht torkelnden Gang, und dabei zog es sich abwechselnd zusammen und dehnte sich aus, als wäre es eine riesige Ziehharmonika.
III
Die Familie Howard Tate gehört, wie jedermann in Toledo weiß, zu den ehrfurchtgebietendsten Leuten der Stadt. Mrs. Howard Tate war eine Todd aus Chicago, bevor sie eine Tate aus Toledo wurde, und die Familie gibt sich im Großen und Ganzen mit jener bewussten Schlichtheit, die zum Markenzeichen amerikanischer Aristokratie geworden ist. Die Tates haben das Stadium erreicht, in dem sie über Schweine und Farmen sprechen und den Zuhörer, der dies nicht zu goutieren weiß, mit einem eisigen Blick bedenken. Als Dinnergäste sind ihnen Vasallen inzwischen lieber als Freunde, sie geben eine Menge Geld auf unspektakuläre Weise aus und stehen im Begriff, ziemlich langweilig zu werden, da jeder Sinn für Konkurrenz ihnen abhandengekommen ist.
Die Tanzveranstaltung an besagtem Abend wurde für die kleine Millicent Tate
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