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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Bringen Sie ihn hierher; gleich werden wir Bescheid wissen.«
    Das Kamel wehrte sich nicht dagegen, in die Bibliothek geführt zu werden, und nachdem er die Tür abgesperrt hatte, nahm Mr. Tate einen Revolver aus der Schublade und wies den jungen Mann an, dem Ding den Kopf abzunehmen. Dann riss er sprachlos den Mund auf und legte den Revolver in sein Versteck zurück.
    »Perry Parkhurst!«, rief er voller Erstaunen.
    »Bin auf der falschen Party gelandet, Mr. Tate«, sagte Perry kleinlaut. »Hoffe, Sie haben sich nicht erschreckt.«
    »Na, Sie haben uns vielleicht einen Schrecken eingejagt, Perry.« Dann begann es ihm zu dämmern: »Sie wollten zu dem Zirkusball der Townsends.«
    »Das hatte ich vor.«
    »Darf ich Sie miteinander bekannt machen? Mr. Butterfield – Mr. Parkhurst.« Dann wandte er sich an Perry: »Mr. Butterfield ist für einige Tage bei uns zu Gast.«
    »Bin ein bisschen durcheinander«, murmelte Perry. »Tut mir furchtbar leid.«
    »Das macht doch nichts; hätte jedem passieren können. Ich habe ein Clownskostüm, weil ich nachher auch hingehen will.« Er wandte sich an Butterfield. »Überlegen Sie es sich, kommen Sie doch mit uns.«
    Der junge Mann machte Ausflüchte. Er wollte ins Bett gehen.
    »Wie wär’s mit einem Drink, Perry?«, fragte Mr. Tate.
    »Danke, gern.«
    »Apropos«, fuhr Tate schnell fort, »Ihren – Ihren Freund hier habe ich ganz vergessen.« Er deutete auf das Hinterteil des Kamels. »Ich wollte nicht unhöflich sein. Kenne ich ihn? Lassen Sie ihn rauskommen.«
    »Er ist kein Freund«, erklärte Perry hastig. »Ich habe ihn nur geliehen.«
    »Will er etwas trinken?«
    »Wollen Sie?«, fragte Perry, wobei er sich umständlich verdrehte.
    Ein leiser zustimmender Laut war zu hören.
    »Natürlich will er!«, sagte Mr. Tate herzlich. »Ein ordentliches Kamel muss in der Lage sein, für drei Tage im Voraus zu trinken.«
    »Wissen Sie«, sagte Perry besorgt, »er ist nicht gerade passend gekleidet, um sich blicken zu lassen. Wenn Sie mir eine Flasche geben, kann ich sie ihm nach hinten reichen, und er kann sich seinen Drink im Kostüm genehmigen.«
    Aus dem Inneren des Kamels ertönte als Reaktion auf diesen Vorschlag ein freudig schmatzendes Geräusch. Als ein Butler mit Flaschen, Gläsern und einem Siphon erschien, wurde eine der Flaschen in das Kamel befördert, und danach konnte man hören, wie der stumme Partner fleißig seinem Getränk zusprach.
    So verstrich eine geruhsame Stunde. Um zehn Uhr gelangte Mr. Tate zu der Ansicht, dass es an der Zeit sei aufzubrechen. Er zog sein Clownskostüm an; Perry setzte sich wieder den Kamelkopf auf, und Seite an Seite gingen sie zu Fuß den Häuserblock zwischen dem Haus der Tates und dem Tallyhoo Club entlang.
    Der Zirkusball war in vollem Gang. Im Ballsaal war ein großes Zirkuszeltdach aufgebaut worden, und an den Wänden reihten sich Schaubuden aneinander, in denen alle möglichen Attraktionen gezeigt wurden, die als Beiwerk zu einem Zirkusprogramm gehören, doch nun waren sie verwaist, und auf dem Tanzparkett drängte sich eine fröhliche, lärmende, jugendliche und farbenfrohe Mischung: Clowns, bärtige Damen, Akrobaten, Kunstreiter, Zirkusdirektoren, Tätowierte und Wagenlenker. Da die Townsends wild entschlossen waren, ihre Party von Erfolg gekrönt zu sehen, war aus ihrem Haus heimlich Alkohol in rauhen Mengen herbeigeschafft worden, der nun in Strömen floss. Ringsum an den Wänden des Ballsaals war ein grünes Band angebracht, mit Pfeilen und mit Schildern versehen, die Unwissende anleiteten: »Folgen Sie der grünen Linie!« Das grüne Band führte zur Bar, wo einfacher Punsch und teuflischer Punsch und schlichte dunkelgrüne Flaschen warteten.
    Über der Bar befand sich ein weiterer Pfeil an der Wand, rot und ziemlich wackelig, und darunter stand: »Folgen Sie diesem Zeichen!«
    Doch selbst in diesem Überfluss an Kostümen und Übermut erregte das Erscheinen des Kamels ein gewisses Aufsehen, und Perry umringte alsbald eine neugierige, lachende Menge, die versuchte, die Identität des Tiers zu ergründen, das in der breiten Zimmertür stand und die Tanzenden mit seinem hungrigen, melancholischen Blick betrachtete.
    Und dann sah Perry vor einer der Buden Betty stehen, im Gespräch mit einem als Polizist kostümierten Gast. Sie selbst war als ägyptische Schlangenbeschwörerin verkleidet: Ihr braunes Haar war zu Zöpfen geflochten und durch Messingringe gezogen, gekrönt von einer glitzernden orientalischen Tiara. Ihre

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