Winterträume
Mann!«
»Komm her, Jumbo. Hättest du Lust, ein Paar zu trauen?«
»Jassöh!«
Jumbo wurde von vier Scherzbolden ergriffen, die ihm seine Schürze auszogen und ihn zu einem Podium am Kopf der Prozession führten. Dort nahmen sie ihm seinen Kragen ab und legten ihn ihm falsch herum an, um einen Priesterkragen anzudeuten. Die Parade teilte sich in zwei Reihen, zwischen denen Braut und Bräutigam hindurchzuschreiten hatten.
»Jassöh«, dröhnte Jumbo, »hab meine alte Bibel dabei, ehrlich wahr.«
Aus einer Innentasche förderte er eine zerlesene Bibel zutage.
»Ha! Jumbo hat eine Bibel!«
»Ich wette, er hat sogar ein Rasiermesser!«
Schlangenbeschwörerin und Kamel schritten die hurrarufenden Reihen entlang und blieben vor Jumbo stehen.
»Wo issen deine Heiratslizenz, Kamel?«
Ein Zuschauer stupste Perry in die Seite.
»Geben Sie ihm ein Blatt Papier, egal was.«
Perry kramte nervös in seiner Hosentasche, fand einen zusammengefalteten Zettel und schob ihn durch das Maul des Kamels hinaus. Jumbo hielt den Zettel falsch herum und tat so, als studiere er ihn eingehend.
»Das iss dem Kamel seine echte Lizenz«, sagte er. »Und jetzt her mit deinem Ring, Kamel.«
Im Inneren des Kamels drehte Perry sich um und wandte sich an seine schlechtere Hälfte.
»Geben Sie mir einen Ring, zum Kuckuck!«
»Ich hab keinen«, protestierte eine schwache Stimme.
»Doch, ich habe ihn gesehen.«
»Den kriegen Sie nicht in die Finger.«
»Dann bringe ich Sie um.«
Ein leises Keuchen ertönte, und Perry spürte, wie ihm ein unförmiges Gebilde aus Strass und Messing in die Hand gedrückt wurde.
Wieder stupste man ihn an.
»Sagen Sie endlich was!«
»Ja!«, rief Perry schnell.
Er hörte Betty heiter ihr Jawort geben, und sogar in dieser Posse ging ihm der Ton ihrer Stimme durch Mark und Bein.
Dann hatte er den Strassring durch ein Loch im Fell des Kamels hinausbugsiert und streifte ihn ihr über den Finger, wobei er Jumbos altehrwürdige Worte murmelnd nachsprach. Niemals sollte jemand von seiner Rolle in dieser Maskerade erfahren. Er hatte nur den Wunsch, sich davonzustehlen, ohne sich zu erkennen geben zu müssen, denn bislang hatte Mr. Tate sein Geheimnis für sich behalten. Perry war ein ehrenwerter junger Mann, und er wollte keinesfalls seiner Anwaltspraxis schaden, die noch in den Kinderschuhen steckte.
»Küssen Sie die Braut!«
»Demaskier dich, Kamel, und küsse sie!«
Instinktiv klopfte ihm das Herz bis zum Hals, als Betty sich lachend zu ihm umdrehte und die Pappschnauze des Kamels streichelte. Er merkte, dass die Selbstbeherrschung ihn im Stich ließ, er sehnte sich danach, Betty in die Arme zu schließen, seine Identität zu offenbaren und die Lippen zu küssen, die nur eine Armeslänge von ihm entfernt lächelten – als auf einmal Gelächter und Beifall um sie herum erstarben und eine seltsame Stille sich auf die Versammlung senkte. Perry und Betty blickten überrascht auf. Jumbo hatte mit so erschrockener Stimme und so laut »Hoppla!« gerufen, dass alle Augen sich auf ihn richteten.
»Hoppla!«, wiederholte er. Er hatte die Heiratslizenz des Kamels, die er falsch herum gehalten hatte, richtig herum gedreht, hatte eine Brille aus der Tasche gezogen und betrachtete den Zettel wie vom Donner gerührt.
»He!«, rief er, und in der tiefen Stille konnte jeder im Raum seine Worte deutlich hören. »Dem Kamel seine Lizenz iss eine ehrlich echte Heiratslizenz!«
»Wie?«
»Was?«
»Sag das noch mal, Jumbo!«
»Kannst du überhaupt lesen?«
Jumbo gebot mit einer Handbewegung Schweigen, und Perry brauste das Blut in den Adern, als er begriff, welchen Patzer er sich da erlaubt hatte.
»Jassöh!«, wiederholte Jumbo. »Das iss eine ehrlich echte Heiratslizenz, und die betrefflichen Personen sind die junge Dame hier, Miss Betty Medill, und Massah Perry Parkhurst.«
Alle schnappten nach Luft, und leises Gemurmel brach aus, während alle Blicke sich auf das Kamel richteten. Betty schrak zurück, und ihre hellbraunen Augen sprühten Funken des Zorns.
»Kamel, biss du Massah Parkhurst?«
Perry schwieg. Die Leute rückten näher und gafften ihn an. Er war wie erstarrt vor Verlegenheit, während seine Pappmaske den unheilvollen Jumbo noch immer mit hungrigem und spöttischem Blick ansah.
»Sie sagen jetzt besser was«, sagte Jumbo langsam. »Das iss nämlich eine mächtig ernste Sache. Nebens meine Tätigkeit im Club bin ich nämlich zufällig ein ehrlich echter Priester von der Ersten Farbigen
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