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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Prügel Ihres Lebens. Man würde Ihnen Ihre Lizenz als Taxifahrer wegnehmen!«
    Perry war selbst überrascht, wie leicht ihm diese finstere Drohung über die Lippen kam, doch auf seinen Begleiter hatte sie offenbar eine narkotische Wirkung, denn nach einem Brummen verfiel er in verlegenes Schweigen.
    Der Zirkusdirektor erklomm das Klavier und gebot mit einer Handbewegung Stille.
    »Die Preisverleihung!«, rief er. »Treten Sie näher!«
    »Juchhu, Preise!«
    Aufgeregt scharte sich die Menge um ihn. Das hübsche Mädchen, das die Tollkühnheit besessen hatte, als bärtige Dame zu kommen, zitterte vor Aufregung bei dem Gedanken, dass es vielleicht dafür belohnt werden würde, einen ganzen Abend lang hässlich gewesen zu sein. Der Mann, der den Nachmittag damit verbracht hatte, sich mit Tätowierungen bemalen zu lassen, drückte sich am Rand der Gesellschaft herum und errötete schrecklich, wenn jemand zu ihm sagte, man werde ihn gewiss auszeichnen.
    »Meine Damen und Herren Artisten unseres Zirkusetablissements«, verkündete der Zirkusdirektor gutgelaunt, »sicher werden Sie mir zustimmen, dass wir uns alle prächtig amüsiert haben. Wir wollen nun Ehre erweisen, wem Ehre gebührt, indem wir die Preise verleihen. Mrs. Townsend hat mich gebeten, die Preisverleihung vorzunehmen. Liebe Mitwirkende, den ersten Preis erhält diejenige der Damen, die heute Abend in dem aufsehenerregendsten, kleidsamsten« – an dieser Stelle seufzte die bärtige Dame resigniert – »und originellsten Kostüm erschienen ist.« An dieser Stelle spitzte das Strohbündel die Ohren. »Ich bin mir sicher, dass die Entscheidung, die wir gefällt haben, Ihrer aller uneingeschränkte Zustimmung finden wird. Der erste Preis geht an Miss Betty Medill, die bezaubernde ägyptische Schlangenbeschwörerin.«
    Beifall brandete auf, hauptsächlich von Seiten der männlichen Zuschauer, und Miss Betty Medill, die unter ihrer olivbraunen Schminke reizend errötete, wurde hinaufgereicht, um den Preis entgegenzunehmen. Mit einem zärtlichen Blick überreichte der Zirkusdirektor ihr einen riesigen Strauß Orchideen.
    »Und nun«, fuhr er fort und blickte in die Runde, »kommen wir zu dem Preis, der für denjenigen der Herren bestimmt ist, der das amüsanteste und originellste Kostüm trägt. Um diesen Preis hat sich unzweifelhaft ein Mann in unseren Reihen verdient gemacht, ein Gentleman, der in unserer Stadt nur zu Besuch weilt, dessen Aufenthalt bei uns aber noch lange und fröhlich sein möge – kurzum, dieser Preis geht an das edle Kamel, das mit seinem hungrigen Aussehen und seinen herausragenden Tanzleistungen den ganzen Abend für Unterhaltung gesorgt hat.«
    Er hielt inne, und heftiges Klatschen und laute Hurrarufe folgten, denn diese Entscheidung traf auf allgemeine Zustimmung. Der Preis in Form einer großen Kiste Zigarren wurde für das Kamel beiseitegelegt, das ihn aus anatomischen Gründen nicht persönlich entgegennehmen konnte.
    »Und jetzt«, fuhr der Zirkusdirektor fort, »beenden wir den Kotillon mit der Vermählung von Frohsinn und Narrheit! Treten Sie an zum großen Hochzeitsmarsch mit der wunderschönen Schlangenbeschwörerin und dem edlen Kamel an der Spitze!«
    Betty hüpfte fröhlich herbei und legte dem Kamel einen olivbraunen Arm um den Hals. Hinter ihnen formierte sich die Parade aus kleinen Jungen, kleinen Mädchen, Bauernlümmeln, dicken Damen, dünnen Männern, Schwertschluckern, wilden Männern aus Borneo und armlosen Wunderwesen, nicht wenige darunter alles andere als nüchtern und alle erregt und fröhlich und geblendet vom gleißenden Licht und den Farben und den vertrauten Gesichtern, die unter den absonderlichen Perücken und der barbarischen Schminke seltsam unvertraut aussahen. In blasphemischer Synkopierung stimmten Posaunen und Saxophone die wollüstigen Klänge des Hochzeitsmarschs als aberwitziges Gemisch an.
    »Freust du dich, Kamel?«, fragte Betty zutraulich, als sie die Prozession eröffneten. »Freust du dich, dass wir heiraten und dass du für alle Zeiten der netten Schlangenbeschwörerin angehören wirst?«
    Die Vorderbeine des Kamels tänzelten zum Ausdruck seiner unbändigen Freude.
    »Geistlicher! Geistlicher! Wo steckt der Geistliche?«, riefen Stimmen aus der Menge. »Wer soll als Geistlicher amtieren?«
    In der halbgeöffneten Tür eines Nebenraums wurde der Kopf Jumbos sichtbar, eines fettleibigen Negers und langjährigen Kellners des Tallyho Club.
    »Oh, Jumbo!«
    »Holt den alten Jumbo. Er ist unser

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