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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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gerückt, und die Männer kamen herüber. Evylyn sah ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt: Harolds Gesicht war gerötet, und bei jedem Satz, den er sagte, nuschelte er die letzten Worte. Und Tom Lowrie schwankte beim Gehen und wäre, als er sich auf das Sofa sinken ließ, um ein Haar auf Irenes Schoß gelandet. Nun saß er da und blinzelte betrunken in die Runde. Evylyn ertappte sich dabei, dass sie zurückblinzelte, fand daran aber nichts Komisches. Joe Ambler lächelte zufrieden und zog an seiner Zigarre. Nur Ahearn und Milton Piper schienen nüchtern zu sein.
    »Das hier ist ’ne ziemlich gute Stadt, Ahearn«, sagte Ambler, »das werden Sie noch merken.«
    »Das habe ich schon gemerkt«, sagte Ahearn freundlich.
    »Sie werden’s noch mehr merken, Ahearn«, sagte Harold und nickte nachdrücklich.
    Er begann mit einem Loblied auf die Stadt, und Evylyn fragte sich peinlich berührt, ob er damit alle so langweilte wie sie. Offenbar nicht – man hörte ihm aufmerksam zu. Bei der ersten sich bietenden Gelegenheit unterbrach sie ihn.
    »Wo haben Sie bisher gelebt, Mr. Ahearn?«, fragte sie interessiert. Dann fiel ihr ein, dass Mrs. Ahearn ihr das bereits erzählt hatte, doch das machte nichts. Harold sollte nicht so viel reden. Wenn er getrunken hatte, war er ein solcher Esel . Er riss das Wort sogleich wieder an sich.
    »Ich sag Ihnen was, Ahearn, Sie sollten als Erstes ’n Haus auf dem Hügel hier kaufen. Das Stearne-Haus oder das Ridgeway-Haus. Damit die Leute sagen: ›Das da ist das Ahearn-Haus.‹ Das wirkt solide, wenn Sie wissen, was ich meine.«
    Evylyn errötete. Das klang unpassend. Dennoch schien Ahearn keinen Anstoß daran zu nehmen, sondern nickte nur ernst.
    »Haben Sie sich denn schon –« Doch ihre Worte wurden von Harold übertönt.
    »Sie brauchen ’n Haus – das ist der Anfang. Dann müssen Sie Leute kenn’lernen. Die sind bei Zugezogenen ganz schön hochnäsig, aber das gibt sich schnell, wenn sie Sie erst mal kenngelernt haben. Bei Leuten wie Ihnen« – er zeigte mit einer ausladenden Geste auf Ahearn und dessen Frau – »kein Problem. Wenn das Eisch… das Eisch« – er meisterte endlich die Hürde, sagte »Eis« und wiederholte es gleich noch einmal – »mal gebrochen ist, sind die Leute hier herzlich wie nur was.«
    Evylyn sah ihren Schwager flehend an, doch bevor dieser intervenieren konnte, gab Tom Lowrie ein kaum verständliches Gemurmel von sich, das durch die erkaltete Zigarre, auf die er biss, noch undeutlicher war.
    »Huma uma ho huma ahdy um…«
    »Wie bitte?«, fragte Harold ernsthaft.
    Ergeben und mit gewissen Schwierigkeiten nahm Tom die Zigarre aus dem Mund – das heißt, er nahm einen Teil der Zigarre aus dem Mund und spuckte den Rest mit einem schmatzenden Geräusch quer durch den Raum. Er landete feucht in Mrs. Ahearns Schoß.
    »Tschuldigung«, murmelte er und erhob sich in der unbestimmten Absicht, ihn zu bergen. Milton zog ihn rechtzeitig am Jackett, so dass er auf das Sofa zurückfiel, während Mrs. Ahearn den Stummel, ohne ihn eines Blickes zu würdigen, nicht unelegant auf den Boden schnippte.
    »Bevor das passiert is« – er machte eine unbestimmte, entschuldigende Handbewegung in die Richtung von Mrs. Ahearn –, »wolltich sag’n«, fuhr Tom mit schwerer Zunge fort, »dass ich über die Sache im Country Club Bescheid weiß.«
    Milton beugte sich vor und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
    »Lass mich«, sagte er eigensinnig, »ich weiß, was ich tue. Desweg’n sind die doch hier.«
    Panik ergriff Evylyn. Sie versuchte, etwas zu sagen, und sah den spöttischen Ausdruck auf dem Gesicht ihrer Schwester. Mrs. Ahearn war puterrot geworden. Ihr Mann fingerte an seiner Uhrkette herum und betrachtete sie nachdenklich.
    »Ich weiß, wer dafür gesorgt hat, dass Sie nich aufgenomm’ wer’n, und er is kein bisschen besser als Sie. Ich hätt die ganze Sache ins Reine bring’ könn’, aber ich kannte Sie ja noch nich. Harold hat mir erzählt, dass Sie sich ganz schön geärgert ham –«
    Milton Piper stand plötzlich und ungeschickt auf. Im nächsten Augenblick hatten sich alle erhoben und standen angespannt da. Milton sagte in aller Eile, er müsse unbedingt sofort gehen. Die Ahearns hörten ihm mit ungeteiltem Interesse zu. Mrs. Ahearn schluckte und wandte sich mit einem gezwungenen Lächeln zu Jessie. Evylyn sah, dass Tom sich schwankend auf Mr. Ahearn zubewegte und ihm die Hand auf die Schulter legte – doch plötzlich hörte sie neben sich eine

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