Wintertraum und Weihnachtskuss: Eine Liebesgeschichte in 24 Kapiteln (German Edition)
Sportsbar. Pauli hatte gestern vorgeschlagen, wir könnten uns dort gegen zwei Uhr treffen. Da die Sportsbar ein wirklich angesagter Treff war, musste ich schön sein, was Haarewaschen und überhaupt das volle Programm bedeutete. Das dauerte natürlich. Trotzdem war ich die Erste in der Küche.
Ich stellte die Kaffeemaschine an und schaute auch hier aus dem Fenster. Die Flocken fielen dicht und stetig. Unser erster Christbaum! Wenn es noch ein, zwei Tage so weiterschneite, würden wir ihn ausbuddeln müssen!
Rasch fuhr ich in meine Stiefel und schlüpfte in die Steppjacke, dann stapfte ich durch den Schnee bis zum Baum. Ihn schnell zur Terrasse zu ziehen, hatte ich mir ganz leicht vorgestellt, aber er bewegte sich kaum einen Millimeter von der Stelle.
Unschlüssig schaute ich auf den weißen Hügel; sollte ich warten, bis Otto angezogen war? Selbst ist die Frau, Holly!, sagte ich mir und schüttelte erst mal den Schnee von den Zweigen. Dabei wurde mir richtig warm, und weil mir auch die Mütze über die Ohren gerutscht war, hörte ich zunächst nichts. Erst als zwei Hände in dicken Handschuhen die Tannenzweige unseres lebenden Zauns auseinanderbogen, schaute ich auf.
»Guten Morgen, Holly! Was machst du da?«
Ich sah Matteos von Zweigen umrahmtes Gesicht mit der rot gefrorenen Nase. »Hallo! Der Baum muss auf die Terrasse!«
»Warum? Ich finde, hier liegt er gut.«
»Wenn’s aber weiterschneit? Es wäre schade, wenn wir ihn unterm Schnee nicht mehr finden würden.« Jetzt hatte ich von allen Ästen den Schnee abgeschüttelt, schob die Mütze zurück und stapfte zur Hecke. »Willst du mir ziehen helfen?«
»Nur wenn’s dir recht ist.«
Ich überlegte einen Augenblick, ob mir Matteos Hilfe recht wäre. »Klar. Warum nicht?«
»Na, weil du doch ’ne Sauwut auf Opa Cosimo haben musst. Wenn er mich am Sonntagmorgen um sechs wecken würde … «
»Was dann?«, fragte ich gespannt. »Was würdest du tun?«
Matteo lächelte. »Weiß nicht. Bis jetzt hat er mich immer schlafen lassen.«
»Bist ja auch sein Enkel und nicht sein Feind, was?«
»Ja. Soll ich jetzt …«
»Klar. Gerne.« Das Gesicht verschwand, die Lücke schloss sich. Ich wartete. Natürlich dachte ich, Matteo würde ums Haus herum gehen, was eine Weile gedauert hätte. Plötzlich sah ich ihn, wie er vom oberen Ende des Gartens durch den Schnee pflügte. »Wo kommst du denn her?«, fragte ich verblüfft.
»Bin durchs Loch im Zaun geschlüpft.«
»Ist da ein Loch?«
»Sag bloß! Du weißt das nicht?«
Ich schüttelte den Kopf. Auf Matteos Augenbrauen hatten sich ein paar Schneeflocken niedergelassen und auch zwischen seinen langen Wimpern hingen welche. Ich schluckte und verschränkte die Hände auf dem Rücken – zur Sicherheit, weil ich die Schneeflocken sehr gerne von den Brauen und aus den Wimpern getupft hätte.
Wir sahen uns an.
»Deine Mütze ist zu weit runtergerutscht«, sagte Matteo. Seine Stimme klang anders als sonst. Tiefer. Krächzender.
Er sollte sich räuspern, dachte ich noch, dann schloss ich die Augen. Das war ein Reflex. Nur ein Reflex war das, weil ich seine Finger an meiner Stirn spürte, die die Mütze hochschoben. Obwohl die Finger wirklich kalt waren – er hatte den Handschuh ausgezogen –, wurde mir warm. Sehr warm sogar.
Als ich die Augen wieder öffnete, hingen noch viel mehr Flocken in Matteos schwarzen Wimpern. Weil er mir die Mütze hochgeschoben hatte, wischte ich sie ihm weg. Die Augen sind empfindlich, deshalb war ich dabei sehr vorsichtig. Ich konnte mir nicht erklären, weshalb Matteo rot wurde und warum auf seiner Oberlippe plötzlich ein paar Tropfen standen. Muss wohl Schnee gewesen sein, der langsam wegschmolz.
Wir schraken zusammen, als wir Opa Cosimo hörten, der seinen Enkel rief.
Matteo legte blitzschnell den Finger auf die Lippen, dann bückten wir uns gleichzeitig und schleiften den Baum auf die Terrasse.
»Bist du heute Nachmittag auf der Eisbahn?«, flüsterte Matteo. Er flüsterte! Wollte er nicht, dass Opa Cosimo ihn hörte?
Ich nickte und wisperte: »Ich gehe mit Nell. Ben und Pauli kommen auch.«
»Warum Pauli?«
»Warum nicht?«
Matteo biss sich auf die Lippe. »Der Trottel. Jeder Esel wagt sich aufs Eis.«
Ich wartete.
Er schwieg und sah auf seine Stiefel, die bis zum Rand im Schnee steckten.
»Kommst du nun oder kommst du nicht?«
Matteo hob die Schultern. »Weiß nicht.« Brüsk drehte er sich um und stapfte zum Loch im Zaun.
Ich sah ihm nach. Warum war er so
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