Winterwelt (Sommer-Sonderpreis bis zum 06.08.2012!) (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
immer Sallys Geschichte herum, doch nicht so sehr wie der Mann im Umhang. Auch nach Wochen hatte sein Bild nichts von dem Zauber verloren, doch Arrow war weiterhin bemüht, sich nicht durch ihn ablenken zu lassen.
Auf einer wackligen Konstruktion, die sie bereits im Speisesaal verwendet hatte, reinigte sie die obere Hälfte der letzten Wand in diesem Raum. Anfangs eignete sich der alte Transportkarren gar nicht so schlecht als Leiterunterbau. Man konnte ihn sogar nach Belieben ein Stück in die Höhe kurbeln. Doch nach einer Weile begannen sich die Schrauben aus den ausgeleierten Öffnungen zu lösen. Man konnte sie immer mal wieder festziehen, doch mittlerweile waren sie völlig überdreht.
Für den Moment funktionierte der Unterbau noch, und bis Arrow etwas anderes einfiel, sah sie einfach darüber hinweg, als würde das die Sache aus der Welt schaffen.
Dieses Problem war ohnehin vergessen, als Arrow sich einem viel schwerwiegenderen konfrontiert sah. Auf dem letzten Viertel der Wand fehlte eine Darstellung. Das Bild war einfach zu Ende und zeigte nur noch die nackte graue Wand. Vielleicht wäre es weniger schlimm, wenn es lediglich ein Stück Himmel gewesen wäre, das ergänzt werden musste, doch das wäre das größte Stück Blau auf der gesamten Darstellung gewesen. Ein Maler, der so detailliert arbeitet wie auf den Wänden zuvor, hätte das nicht hingenommen. Es wäre Pfusch gewesen und jemand, der so viel Liebe und so viel Hingabe in sein Werk steckte, hätte es lieber unvollendet gelassen als zu improvisieren.
Der einzige Anhaltspunkt, den Arrow finden konnte, war eine junge Frau, die ihre Hände zum Himmel ausstreckte. Doch wonach? Einem Vogel, einem Schmetterling oder etwas ganz Anderem? Wäre es tatsächlich nur ein Insekt gewesen, so fehlte noch immer die restliche Darstellung. Der Punkt war viel zu groß, um ihn allein einem so kleinen Wesen zu widmen. Oder es war eine Riesenmotte – haha.
Arrow war ratlos. Angestrengt versuchte sie, mehr Anhaltspunkte in der restlichen Darstellung zu finden. Der Maler hatte eindeutig auf etwas hin gearbeitet. Aber worauf?
Plötzlich hörte sie etwas im Nebenzimmer klappern.
„Sally?“, rief sie, doch niemand antwortete.
„Harold?“ Wieder nichts.
Eilig sprang sie vom Wagen. Wer immer dort war, musste ihr jetzt helfen. Schlechtere Ideen als eine Riesenmotte konnten dabei wohl nicht herum kommen.
Nach einem weiteren Laut nebenan wollte sie loseilen, doch ihr Rock hing am Wagen fest. Völlig entnervt riss sie ihn sich vom Leib. Bei dieser Kälte trugen ohnehin alle Frauen ein Beinkleid darunter. Jede, die es nicht tat, musste selbst aus Eis und Schnee bestehen. Außerdem hasste Arrow Röcke, auch wenn sie sie früher – wie Rose immer wieder erwähnte – geliebt hatte. Sollten die Leute doch denken, was sie wollen.
Als Arrow das Nebenzimmer erreichte, war niemand zu sehen. Einzig ein zerbrochener Kübel bezeugte ihr, dass sie sich nicht verhört hatte.
„Arrow?“ erklang es hinter ihr.
Kreidebleich und mit einem ohrenbetäubenden Kreischen fuhr Arrow herum.
„Sally ... Sag mal, bist du von allen guten Geistern verlassen?! Was machst du hier?“
Völlig entgeistert musterte Sally sie. „Na du hast doch nach mir gerufen.“
„Ja. Ich dachte, du wärst hier. Ich habe Geräusche gehört. Wo ist denn Harold?“
„Zum Schneider gegangen.“ Verwirrt erblickte Sally die Bruchstücke des Kübels. „Oh, ja ... ja das war ich. Den ganzen Tag habe ich immer wieder vergessen, die Scherben zu entsorgen.“
Ungläubig stemmte Arrow die Hände in die Hüften. „Ach ja? Aber es hat so geklungen, als sei er eben gerade erst zerbrochen.“
„Wirklich? Nun, das muss daran liegen, dass ich gerade darüber gestolpert bin.“
„Und wieso kommst du dann jetzt plötzlich von der anderen Seite?“
„Ich habe deine Rufe nicht deuten können. Und verwirrt, wie ich war, bin ich versehentlich in die falsche Richtung gelaufen“, antwortete Sally ganz selbstverständlich.
Schon wieder so eine Ausrede. Aber was nützte es, weiter zu fragen? Sally würde ihr ohnehin nicht die Wahrheit sagen – schon gar nicht, wenn Arrow sich wie eine Furie aufführte. Also zügelte sie sich. Im Moment war es auch nicht wichtig.
„Ach, ist ja auch egal. Ich muss dir etwas zeigen.“ Eilig brachte sie die Köchin zu der Wand.
Fragend betrachtete Sally das Bild. „Tut mir leid, mein Kind, aber ich kann dir nicht helfen. Ich wüsste nichts, was er damit hätte ausdrücken
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