Winterwelt (Sommer-Sonderpreis bis zum 06.08.2012!) (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
vergessen. Mit einer Seele lebt man weiter – in einer anderen Welt und in den Herzen jener, die einen lieben oder hassen.
Man erinnert sich an Gerüche, Schmerzen, Glück, Leid oder Liebe. Vor allem aber erinnert man sich an diejenigen, die all das mit einem geteilt haben. Nie wird sie aufhören zu leben, auch wenn die Hülle gestorben ist und vielleicht wird sie sogar in diese Welt wieder geboren.“
Das hatte gesessen. Noch nie zuvor hatte Arrow etwas so schnell überzeugt wie das. Seit jeher besaß sie einen ausgeprägten Dickkopf und den Willen, zu diskutieren, doch dieses Mal blieben absolut keinerlei Fragen offen.
„Eines Tages“, fuhr Anne fort“,traten die Nyriden vor die Perseiden, um für die so lang ersehnten Seelen zu bitten. Die Perseiden, musst du wissen, entspringen aus derselben und doch aus einer anderen Welt – aus dem großen Ganzen. Sie haben weit mehr Macht als jedes andere Geschöpf. Wie Götter thronen sie über allen Wesen und schauen auf uns herab. Jedes Kind hat sie schon einmal gesehen, doch kaum einer weiß, dass es sie gibt. Nur sie sind in der Lage, einen solchen Wunsch zu erfüllen.“
„Wenn das stimmt“, unterbracht sie Arrow, „warum musste ich Whisper dann so lange vor der ganzen Welt und mir selbst in diesem Medaillon verstecken?“
„Du hast also schon herausgefunden, dass dein Rappe ein Perseide ist?“, fragte Anne überrascht.
Arrow nickte.
„Woher weißt du das?“
„Bitte Großmutter. Ich werde dir alles erzählen – sobald du mir alles erzählt hast.“
Ungern gab Anne ihrer Enkelin in diesem Moment nach. Wenn jemand anders zu viel wusste und es einfach so ausplauderte, war das nie ein gutes Zeichen, denn es könnte genauso bedeuten, dass Arrow in falschem Vertrauen Dinge verraten hatte, die sie nicht erzählen durfte.
„Als dein Perseide noch kein Rappe war – da war er nur ein Funken reinen Lichtes. Was meinst du, hätten wohl deine Freunde dazu gesagt, wenn sie einen solchen Stern nicht nur am Himmel, sondern in der Halskette des Nachbarmädchens entdeckt hätten? Von den Erwachsenen ganz abgesehen! Sie hätten dich als Hexe gejagt und verurteilt. Menschen fürchten sich vor dem Unbekannten. Lieber töten sie es, als es kennen- und verstehen zu lernen.
Trotz dieser Gefahren konnten wir dich nicht von dem Perseiden trennen. Es war notwendig, dass er immer an deiner Seite blieb – ohne Ausnahme.
Jedenfalls – wo waren wir – ... Ach ja! Die Perseiden entschieden nicht sofort über die Bitte nach den Seelen, sondern berieten lange und ausgiebig, so dass der Entschluss erst Jahre später feststand. Und wie man heute sieht – stimmten sie dafür.
Anfangs schien alles perfekt, doch schon bald häuften sich die Probleme, denn mit der Seele kam nicht nur die Unsterblichkeit, sondern auch Gefühle.
Im Gegensatz zu Menschen hatten die Nyriden nicht die Gelegenheit, als Kinder geboren zu werden und mit ihren Erfahrungen, Wissen und Gefühlen zu wachsen. Nein, sie bekamen alles auf einmal – die gesamte Palette. Und weil sie diese nicht kontrollieren konnten, zerstörten sie beinahe diese Welt mit ihren Kräften. Das Wetter unterlag fortan ihren Gefühlsausbrüchen. Die Nyriden waren nicht länger fähig, logisch zu handeln.
Zu spät erkannten die Perseiden die Folgen ihrer Entscheidung und trennten die Nyriden wieder von ihren Seelen. Doch auch wenn danach keine Gefühle mehr möglich waren, so erinnerten sie sich sehr wohl daran und wollten ihre Seelen zurück – um jeden Preis.
Verzweifelt versuchten die Perseiden, einen Ausweg aus dieser Situation zu finden, doch es war zu spät. Zerstören durften sie die Nyriden nicht, denn das hätte auch das Ende allen Lebens hier zur Folge gehabt. Auch durften die seelenlosen Nyriden nicht in die Unterwelt und so wurden sie verbannt.“
„Verbannt? Zu einem seelenlosen Umherwandeln mit einem Perseiden an unserer Seite?“, fragte Arrow aufgeregt.
Verbittert schüttelte Anne den Kopf. „Kind, du trägst einen Perseiden an deiner Seite und hast du schon einmal einen Sturm hervorgerufen, bist auf dem Rücken des Windes geritten oder hast eine Blume zum Blühen gebracht?“
Arrow zuckte mit den Schultern. „Ich glaube nicht“, antwortete sie zögerlich.
„Und hast du schon einmal Wut empfunden, Trauer, Glück oder vielleicht auch Liebe?“, fragte Anne sie weiter.
Arrows Augen verengten sich und sie konnte es nicht umgehen, bei dem Wort „Liebe“ einen Blick auf den friedlich schlafenden Keylam zu
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