Winzertochter (Contoli-Heinzgen-Krimi)
sodass sein Kopf diese berührte. Beide Hände tief in den Hosentaschen vergraben, blickte er ein wenig missmutig drein. Anke wollte jetzt auf keinen Fall den Laden verlassen. So deutete sie mit einem fast nicht wahrzunehmenden Kopfwiegen ein ›bitte, noch nicht‹ an und rollte dabei mit den Augen. Sie meinte trotz der Scheibe zu hören, wie er Luft holte. Sein Brustkorb richtete sich auf. Er nickte kurz, wobei Anke nicht wusste, ob es eine Zustimmung war oder mehr aus Resignation heraus geschah. Sie wandte sich wieder Leonie zu.„Mein Mann hängt in seiner Praxis immer mal wieder Bilder junger Künstler aus. Wenn Sie möchten, dann ...“
Leonie wedelte sofort abwehrend mit erhobenen Händen, dass Anke den Satz abbrach. Die junge Frau hatte den Mund leicht geöffnet. Auf ihrem Gesicht lag ein erstaunter Ausdruck, oder war es mehr Verblüffung, überlegte Anke geschwind, der signalisierte, dass so etwas nie infrage kommen dürfte. „Das geht auf keinen Fall, mein Vater würde ...“ Leonie hielt inne. Anscheinend erschrocken darüber, ihren Vater erwähnt zu haben. Anke kräuselte die Augenbrauen. Der Vater schien sie wohl in irgendeiner Weise unter der Knute zu haben. Sie musste sofort an die Szene mit dem Stein denken. Leonie schien nicht aus Bescheidenheit so zu reagieren, sondern eher aus Angst, die sie immer wieder zurückholte, sobald sie etwas aus sich heraus kam.
„ Ihr Vater bräuchte doch nichts davon zu wissen“, reagierte Anke nach dieser kurzen Überlegung. „Aber er muss doch auch damit“, sie zeigte auf das Etikett der Weinflasche, „einverstanden gewesen sein, oder?“.
Leonie deckte mit der Hand ihren Mund ab. Trotzdem bemerkte Anke, wie er sich dahinter zu einem Grinsen weitete.
„Oder nicht?“
„ Doch, hinterher“, taute Leonie ein wenig auf. „Unser Kellermeister war auf die Idee mit den Etiketten gekommen. Er hat es einfach gemacht. Vater fand es dann hinterher auch nicht schlecht.“
„ Warum zeigen Sie mir nicht ganz unverbindlich ihre Bilder. Ich bin neugierig.“
Leonie schüttelte den Kopf.
„Ich kann hier jetzt nicht einfach weg.“
Ein großer Mann trat durch das Verkaufslager herein. Er grüßte Anke freundlich, während er mit der Hand Leonies Schultern berührte, als wolle er sie beschützen. Fasziniert sah Anke in seine Augen. Sie waren von einem tiefen, warmen Braun. Er war ihr auf Anhieb sympathisch.
„Brauchst du Hilfe, Leonie?“ fragte er. In seiner Stimme lag so viel Wärme, dass Anke sofort wusste, wie sehr er Leonie zugetan war.
„ Wir kommen zurecht, denke ich“, kam Anke Leonie mit der Antwort zuvor. „Ich habe eben das wunderschöne Etikett bewundert.“ Sie zeigte auf die Flasche und sah zu Leonie. Ihre Augen hatten sich verdunkelt. Sie schien zu spüren, was Anke mit ihrer Frage bezweckte. Der Mann warf Leonie einen bewundernden Blick zu.
„ Ja, sie ist eine richtige Künstlerin und stellt ihr Licht unter den Scheffel.“
Er schien einfach vorauszusetzen, dass Anke wusste, wer die Malerin gewesen ist.
„Thomas, bitte“, warf Leonie ein.
Thomas hieß also der Mann. Anke überlegte nicht lange.
„Sind Sie vielleicht der Kellermeister?“, fragte sie intuitiv.
Der Mann sah sie überrascht an und nickte.
„Ich bin Anke Contoli, Journalistin und hier auf Urlaub. Leider ist heute unser letzter Tag. Wir haben hier bei Ihnen noch Wein eingekauft, und ich würde mir so gerne Leonies Bilder ansehen. Aber sie sagt, dass sie jetzt hier nicht weg kann.“
Leonie schnappte nach Luft und lachte jetzt. „Sie sind wirklich clever, also gut, kommen Sie. Lächelnd fragte sie zu Thomas gewandt: „Du bleibst doch einen Moment? Es dauert nicht lange.“
Anke hatte den Eindruck, dass er es gerne tat.
Sie folgte Leonie zunächst in das Verkaufslager und dann die Wendeltreppe hoch, die sie von dort direkt in die Wohnung führte. Leonie besaß ein geräumiges Zimmer. Seitlich des Fensters stand eine Staffelei mit einer angefangenen Kreidezeichnung. Anke betrachtete es.
„Es soll das Sternzeichen des Löwen werden, nach meiner Fantasie. Ich möchte es jemandem zum Geburtstag schenken“, erklärte Leonie leicht verlegen. „Ich bin erst am Anfang.“
„ Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Es wird zauberhaft, wenn es fertig ist, das erkenne ich jetzt schon.“ Anke trat einen Schritt zur Seite, darauf achtend, nicht auf die herumliegenden Malutensilien zu treten. Sie fühlte sich in dem Zimmer gleich wohl. Das Chaos um sie herum erinnerte sie
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