Winzertochter (Contoli-Heinzgen-Krimi)
Zeichnungen gleich an Wolf weiter. Er bedankte sich ebenfalls herzlich und deponierte sie geschwind im Wagen. „Nochmals danke, Leonie, das ist ein gutes Zeichnen.“ Anke sah sich suchend um. „Wo können wir denn jetzt einen gemütlichen Absacker trinken?“
„ Gleich um die Ecke in der Gildenschenke. “
Ein nicht zu übersehenes Schild mit rotem Schriftzug ›Weinverkauf‹, angebracht an der Straße liegenden Balkon über dem Parkplatz, erinnerte daran, dass es auch hier den guten Ahrwein zu kaufen gab. Die Sonne hatte sich hinter einer tief hängenden Wolkendecke verzogen, aber es war immer noch recht warm. Da es nieselte, würden sie allerdings einkehren müssen. Der Eingang der Weinstube Gildenschenke lag zurückgesetzt und eingebettet zwischen Haupthaus und einem Nebenhäuschen. Die Eingangsfront hob sich durch seinen Fachwerkstil von den beiden anderen Häusern ab. Leonie ließ Dr. Heinzgen den Vortritt. Beim Eintreten schlug ihnen der angenehme Duft frischer Reibeplätzchen entgegen. Leonie wählte den Ecktisch gleich links neben dem Eingang. An diesem Montagabend wies die Weinstube nur noch zwei weitere Gäste auf, ein junges Pärchen mit vom Wein geröteten Wangen. Es saß rechts am Fenstertisch gleich neben der Theke und hielten verliebt Händchen, wobei sie sich leise unterhielten.
Die Wirtin, eine sympathische vollschlanke Frau mit aschblonden Haaren kam sogleich mit Block und Stift an ihren Tisch und schickte ein freundliches ›Guten Abend‹ in die Runde. Leonie wartete förmlich darauf, von ihr auf die Ermordung ihres Vaters angesprochen zu werden, und war dankbar, als nur nach ihren Wünschen gefragt wurde. Die Nachricht vom Tod Herbert Rosskamps schien noch nicht bis hierher vorgedrungen zu sein. „ Nett hier“, murmelte Anke. Die Weinstube war in einem warmen Braunton gehalten. Auf den ausliegenden Glasuntersetzern in Form eines Weinrebenblattes wünschte die Familie Bier des Weinhauses Gildenschenke einen angenehmen Aufenthalt. Und wie zur Untermalung der familiären Atmosphäre kurvte ein etwa zweijähriger Junge auf einem roten Bobby Car jauchzend um die unbesetzten Tische. „Das ist ja witzig“, grinste Anke, nachdem Frau Bier die bestellten ›Walporzheimer Himmelchen‹, einen halbtrockenen Spätburgunder aus eigener Kelterung, servierte hatte, „eine Winzerfamilie namens Bier.“
Wolf pflichtete ihr schmunzelnd bei. Leonie musterte den Mann an Ankes Seite. Sein ausdrucksstarkes Gesicht umrahmten naturgekrauste, drahtige Haare, die seine Ohren verdeckten. Die üppige schwarze Hornbrille war sicherlich ein älteres Modell, aber sie passt zu ihm, wie auch seine drahtigen langen Haare. Im Gegensatz zu seinem bereits mit weißen Strähnchen versehenen Kopfhaar glänzte sein Schnauzbart noch tiefschwarz. Sie spürte seine rehbraunen Augen auf sich gerichtet. Was wusste er von ihr? Anke schien ihre Gefühle und Gedanken zu erraten. „Darf ich dir jetzt meinen Mann vorstellen“, sagte sie unvermittelt. „Das ist Wolf.“ Dabei schlug sie ihm sanft auf die Schulter. „Er ist Psychotherapeut und absolut verschwiegen. Du kannst auch ihm vertrauen, Leonie. Ich lege meine Hand für ihn ins Feuer.“
Leonie verkniff sich ein Grinsen. Psychologe, überlegte sie, danach sah er nun weiß Gott nicht aus. Sie hätte ihn sich eher als Schauspieler vorstellen können in der Rolle eines Wikingers, aber nicht als Psychologe. Ein reizvoller Gegensatz, und sicherlich mach t er seine Arbeit gut. Wolf erhob sich, lächelte und deutete eine Verbeugung an.
„ Ich freue mich, Sie kennen zu lernen.“
Das Eis war gebrochen. Sie erhoben die Gläser. „Der Wein erfreut des Menschen Herzen“, bekundete Anke und lächelte breit. Beim Anstoßen wurde der helle Klang der Gläser durch einen zornigen Aufschrei des kleinen Jungen übertönt, der strampelnd auf den Armen seiner Mutter herausgetragen wurde. Nach einer kurzen Weile des Schweigens richtete Leonie das Wort an Anke. „Ich, ich wollte mit dir reden.“ Leonie zögernd. Anke nickte ihr aufmunternd zu. Leonies Blick jedoch wanderte zu dem Pärchen in der anderen Ecke des Lokals. Sie spürte merkwürdige Schwingungen in ihrem Körper.
„ Offensichtlich frisch verliebt“, kicherte Anke. Leonie reagierte nicht. Eine Szene baute sich unvermittelt vor ihrem geistigen Auge auf. Sie fröstelte plötzlich in ihrer Jeansjacke. Den Rock hatte sie glücklicherweise gegen eine Hose ausgetauscht, aber ein Pullover würde jetzt gute Dienste leisten. Im
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