Wir beide, irgendwann
doch will ich wissen, was sie über mich gelesen hat. Ich muss den Beweis dafür finden, dass die ganze Sache nur ein Scherz ist, und Emma raten, dass sie die Webseite einfach nicht mehr beachten soll. Danach werde ich wieder so tun, als würde ich nicht neben ihr wohnen.
Emma sitzt auf der Bettkante und trägt immer noch ihr orange-schwarzes Sportoutfit. Ihre Haare sind verfilzt und ihre Wangen sehen aus, als sei sie gerade aufgewacht. Sie lächelt verhalten, hat aber offenbar Schwierigkeiten, mir in die Augen zu sehen.
Emma schüttelt den Kopf. »Es tut mir leid, dass …«
»Ist schon okay«, sage ich und schaue zu ihrem Computer hinüber. »Vergessen wir’s einfach.«
»Ich wollte dir nicht wehtun, deshalb musst du wissen …«
»Ist echt kein Problem«, erwidere ich. »Ich hab mich nur gewundert, weil ich dachte, du wolltest mit ihm Schluss machen.«
»Es geht dich zwar nichts an«, sagt Emma, »aber ich werde bald mit ihm Schluss machen.«
»Ah, verstehe. Du wolltest nur, dass er dir vorher noch mal an die Brüste fasst.«
Emmas Augen blitzen mich wütend an, und ich weiß, dass ich zu weit gegangen bin.
»Du hast Glück, dass ich nicht nachtragend bin«, entgegnet sie. »Also tue ich so, als hätte ich das Letzte überhört. Ich weiß, warum du es gesagt hast, aber …«
»Und warum habe ich es gesagt?«, frage ich. Ich will von ihr hören, dass ich auf Graham eifersüchtig bin, damit ich ihr ins Gesicht lachen kann.
»Josh, wenn du willst, dass ich dir die Webseite zeige, dann hältst du jetzt besser den Mund.«
Emma marschiert zu ihrem Schreibtisch. Es ist gut, zu wissen, dass ich nicht der Einzige bin, der sauer ist.
Der Ziegelmauer-Bildschirmschoner erscheint auf dem Monitor. Emma bewegt die Maus hin und her. Ich sehe, wie sie EmmaNelson 4 ever@ AOL .com eingibt. Danach tippt sie »M-i-l-l-i-c«.
»Ist dein Passwort wirklich Millicent ?«, frage ich.
Emma wirft mir einen verwunderten Blick zu. »Woher weißt du das?«
»Weil ich gesehen habe, wie du die ersten Buchstaben getippt hast … und weißt du was?«
Emma zuckt schweigend die Schultern.
»Für meinen E-Mail-Account in der Schule habe ich mir das Passwort Clarence ausgesucht.«
»Ist das wahr?«, fragt Emma. »Die andere Hälfte unseres Pärchens …«
»Mit dem Eiswagen …«
»Und den Fertiggerichten …«
»Genau die«, bestätige ich, und für einen Augenblick tauschen wir einen vertrauten Blick aus, der uns daran erinnert, wie es war, die dicksten Freunde zu sein.
Emma drückt auf Enter , woraufhin es piept und knackt, während sich der Computer bei AOL einwählt.
»Hast du Sydney heute schon gesehen?«, fragt sie und dreht sich mit ihrem Stuhl zu mir um.
»Wir haben Sozialverhalten zusammen.«
Emma lächelt. »Hast du sie angesprochen?«
»War nicht nötig. Mein dummes Gesicht hat alles gesagt.«
Emma streckt mir ihren Zeigefinger wie den Lauf einer Pistole entgegen. »Aber du glaubst immer noch nicht, dass an der Sache was dran ist?«
»Stimmt«, antworte ich. »Ich gebe zwar zu, dass eine solche Zukunft unglaublich verlockend wäre, aber sie ist eben auch extrem unglaublich.«
»Willkommen!« , meldet sich die elektronische Stimme.
Emma wendet sich der Tastatur zu und beginnt zu tippen. »Ist schon lustig, dass ausgerechnet du so skeptisch bist. Du hast schließlich auch an den Yeti und an Ufos geglaubt. Und erinnerst du dich noch an Goatman?«
»Ich habe nie an Goatman geglaubt«, antworte ich. »Ich fand die Vorstellung nur interessant.«
Emma doppelklickt auf das Wort »Facebook«, worauf sich in der Mitte des Bildschirms ein weißes Feld öffnet. Sie gibt erneut ihre E-Mail-Adresse und ihr Passwort ein, doch statt auf Enter zu drücken, sieht sie mich an.
»Ich hab immer gedacht, dass eine Zeitreise wahnsinnig aufregend sein muss und das ganze Leben verändert«, sagt sie. »So wie in Gefangene der Zeit oder Zurück in die Zukunft . Aber hier geht’s doch nur um langweilige Urlaubsfotos und alltägliche Dinge.«
Oder darum, die schärfste Braut der ganzen Schule zu heiraten , hätte ich fast hinzugefügt.
»Was meinst du denn, warum die Leute über all das triviale Zeug wie ihre Lieblingsgerichte und so weiter schreiben?«
»Tut ja nicht jeder«, antwortet Emma. »Ich rede von wichtigen Dingen, aber nur weil ich keine Angst habe, zuzugeben, wenn das Leben beschissen ist.« Sie lacht bitter. »Und meins ist nun mal beschissen.«
Am oberen Rand des Bildschirms steht »Emma Nelson Jones«. Das Foto
Weitere Kostenlose Bücher