Wir beide nahmen die Muschel
und
hätte uns sofort eingestellt, so eine Geschwindigkeit haben wir vorgelegt.
Hoffentlich macht meine Hüfte das mit, aber sie hat mich nicht enttäuscht. Es
war schon fast kein Gehen mehr, wir haben uns regelrecht in dieses Tempo rein
gesteigert. Viele Pilger haben wir überholt, manche riefen uns einen Scherz
hinterher. Wir sind immer noch auf einer Höhe von 640 Meter. Die Morgennebel
ziehen in geringer Höhe über uns vorbei. Die Landschaft änderte sich sehr oft.
Mal Eichenwälder mit herrlichen Hohlwegen, dann wieder Niedrigwald mit
blühenden Ginsterbäumen. Heute begleiten uns wieder viele Vögel mit ihrem
Gesang. Santiago wir kommen, nur noch 70 km. Nach nicht ganz zwei Stunden
erreichen wir Palas de Rei mit 3.600 Einwohnern. Der Ortsname erinnert zwar
noch an einen längst verschwundenen Königspalast, aber wir sind froh, als wir
diese gesichtslose Stadt hinter uns gelassen hatten. Zwei Mal überqueren wir
kurz hintereinander die N 547, dann geht es wieder in den Wald. Hier sehe ich
zum ersten Mal über dreißig Meter hohe schlanke Bäume, welche sich bestimmt in
den letzten Tagen geschält hatten, überall auf dem Boden lag ihre Rinde in
langen Streifen. Ich hatte den Eindruck, ich wäre in den Tropen, so wirkten
diese Riesen auf mich. Sie standen hier mit ihren nackten Stämmen ohne
Seitenäste. Nur ganz oben eine kleine Krone mit blass grünen Blättern.
Plötzlich zieht ein ganz besonderer Duft an meiner Nase vorbei. »Helga wonach
riecht es hier?« »Oh du alter Dummkopf, das ist doch Eukalyptus.« Richtig,
genau diesen Geruch hatte ich in meiner Nase. Diese Wälder werden nun immer
mehr. Ich frage mich wofür dieses Holz Verwendung findet, vielleicht in der
Papierindustrie? Die Eukalyptusbäume haben ein weiches Holz, manche verrückten
Pilger haben mit ihren Stöcken tiefe Löcher in sie gerammt. Ich habe für so
etwas leider kein Verständnis. Unser Tempo ist langsamer geworden, wir hatten
ein Großteil von unserem Pulver verschossen. Heute gehen wir zum zweiten Mal
als Heuschrecken und haben dabei kein schlechtes Gewissen. Für drei Euro am Tag
werden wir uns diesen Luxus bis Santiago erlauben. Im Moment haben wir einen
sehr gefährlichen Hohlweg, er besteht aus vielen Rinnen und losem Fels gestern.
Diesen Weg möchte ich nicht bei Regenwetter gehen. Wir überholen zwei Pilger
mit Gepäckwagen. Sie ziehen ihn mit einem Hüftgürtel wie eine Laufkarre hinter
sich her. Sie haben zwei sehr große Hunde mit. Ich denke, sie werden mit den
Tieren in vielen Albergues kein Bett bekommen, aber vielleicht haben sie in
ihrem Gepäck ein Zelt verstaut. Wir trafen eine Pilgerin, welche ein kleines
Zelt mitschleppte. Wir haben auf dem gesamten Weg so ein reichhaltiges
Alberguesangebot, dass dies eigentlich nicht nötig ist. Gestern bei unserer
Frühstückspause ritten vier Pilger hoch zu Ross an uns vorbei. Leider kamen sie
so schnell, dass ich nicht mehr die Zeit gefunden hatte meine Kamera zu zücken.
Sie waren zünftig gekleidet und die Pferde waren reich mit Gepäck behängen.
Zwei dumme deutsche Frauen saßen zu diesem Zeitpunkt bei uns. Nein wir könnten
das nicht, jetzt schon etwas essen. Wir laufen den ganzen Tag ohne Pause und
essen grundsätzlich erst zu Abend. Warum sitzen sie dann hier schon zwanzig
Minuten bei uns? Nach zwei Stunden hatten wir sie wieder getroffen. Sie saßen
vor einem Café und aßen ein großes Stück Kuchen und es war erst kurz vor elf
Uhr. Wir waren weiter gegangen. Mit solchen Verrückten Hühnern wollten wir
nicht zusammen sitzen. Heute hatten wir großes Pech, wir hatten noch immer kein
Café für unser Frühstück gefunden. Es ging wieder einmal hoch und der Weg war
schlecht, er verlangte viel von uns. Plötzlich ein Schrei vor uns. Es waren
Helen und Terry. Wir haben unsere Freunde aus Australien wieder getroffen.
Nicht immer haben sie die gleiche Albergue wie wir genommen. Ich hatte ihnen
unsere Herberge mitgeteilt, aber vielleicht wollten sie auch einmal einen Tag
ohne uns sein. Wie oft hatten wir bei einer schweren Wegstrecke gesagt, wie
wird Helen und Terry diese bewältigen? Wir hatten gedacht, sie wären weit
hinter uns und wir würden sie vielleicht nie mehr sehen, dabei waren sie vor
uns gewesen. Terry erzählte, dass sie gestern und heute sehr früh abgegangen
wären. Wir hatten sie wieder, zwei absolute Freunde auf unserem Pilgerweg. Sie
machten kurze Zeit später ihre Pause in einem Eichenwald und wir zogen weiter.
Sollte es doch noch ein Café heute für uns
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