Wir beide nahmen die Muschel
Mittagshitze kommen wir gehörig ins Schwitzen. Viele
Pilger kommen uns entgegen und sehen uns erstaunt an. Wieder vorbei am großen
Denkmal auf der Höhe und hinab ins Dorf. Auf der rechten Seite ein Café und es
hat die Hausnummer zwölf. Wir gehen hinein und sehen unsere Rucksäcke im
Eingangsbereich. Aller Ärger von vorhin ist vergessen, wir haben wieder unser
Gepäck. Komm, Helga es ist Mittagszeit, lass uns hier erst etwas essen dann
sehen wir weiter. Wir bekamen ein köstliches Thunfischbaguette und ich erlaubte
mir zwei Cola-Bacardi. Wir hatten uns gestern schon eine Albergue drei
Kilometer vor Santiago ausgesucht. Es ist die Herberge »San Lazaro« mit 80
Betten. Ich hatte wie immer Sorgen, dort kein Bett zu bekommen. Ich fragte die
Cafébesitzerin ob sie versuchen möchte, dort für uns zwei Betten zu
reservieren. Sie rief dort an, aber eine Reservierung war nicht möglich. Es
wären noch viele Betten frei hatte die Herbergsmutter zu ihr gesagt. Ich war beruhigt
und wir machten uns auf den Weg. Unsere Laune war erheblich besser geworden.
Nur noch zwei Kilometer bis zur staatlichen Albergue »San Lazaro«. Hatten wir
auf den letzten 100 km unzählige Pilgersteine mit Kilometerangaben, so fehlen
sie hier. Trotzdem hatten wir den richtigen Weg gefunden. Was uns störte, war
der sehr starke Autoverkehr mit seinen Abgasen. Wir sind wieder in einer
Großstadt und müssen damit leben. Vor dem »Museo pedagoxico« lag etwas
zurückliegend unsere Albergue. Direkt davor auf beiden Straßenseiten eine
Bushaltestelle. Wie schön, dann können wir in den nächsten Tagen mit dem Bus in
die Stadt fahren. Auch brauchten wir unsere Einkäufe, wenn wir uns selbst
verpflegen, nicht zu schleppen. Eine freundliche Leiterin hat uns empfangen, sie
spricht einige Wörter Englisch. Wir buchen bei ihr zwei untere Betten für zwei
Nächte. Die Herberge besteht aus zwei gegenüberliegenden sehr großen Gebäuden,
dazwischen etwas zurückliegend die Rezeption, Waschräume, Duschen und
Toiletten. Alles ist großzügig überdacht und in den Zwischengängen hängen viele
Wäscheleinen. Die hintereinander liegenden Schlafräume sind klein und haben
jeweils nur zwölf Betten. Es gibt Waschmaschinen, Trockner und eine sehr große
Küche. Auch der Aufenthaltsraum ist vom Feinsten. In der Nacht wird das Haus
von einem Wärter bewacht. Das erleben wir hier zum ersten Mal. Auf jedem Bett
liegt frische weiße Bettwäsche mit einem Duschtuch. Auch hat jedes Bett einen
abschließbaren Rucksackschrank. Ich denke, wir haben hier eine sehr gute Wahl
getroffen. Wenn wir unsere Pilgerreise fortsetzen, sollen wir nur das
allernötigste Gepäck mitnehmen, das andere würde sie für uns kostenlos in
Verwahrung nehmen, sagte uns die Leiterin. Da sieht die Pilgerwelt schon ganz
anders aus. Wir verlassen die Albergue und gehen nun voller Freude die letzten
drei Kilometer zur Kathedrale. Im letzten Moment habe ich noch an meine
Sektflasche gedacht. Wir waren vielleicht einen Kilometer gegangen als Helga zu
mir sagte, »ich kann dich nicht verstehen, nun bist du bestimmt 730 Kilometer
mit deinem Rucksack auf dem Rücken gelaufen und auf unserem letzten Weg gehst
du ohne ihn.« Ich bekomme einen Schrecken, das darf es nicht geben, sie trägt
ihre wieder auf dem Rücken und ich hatte meinen ganz in Gedanken in der Albergue
gelassen. Am liebsten würde ich zurückgehen, aber wir waren schon zu weit weg.
Manchmal bin ich einfach ein vergesslicher alter Trottel. Was ich nicht
vergessen hatte war Helgas Sektflasche, welche sie mir zu meinem Geburtstag
geschenkt hatte. Nun hatten wir auch wieder Wegzeichen, im Boden sind goldene
Muscheln eingelassen, sie führten uns durch die Stadt bis zur Kathedrale. Mit
welchen Augen man Santiago de Compostela auch sehen mag, es ist eine
außergewöhnliche schöne faszinierende Stadt. Die Altstadt von Santiago de
Compostela und die Kathedrale wurden im Jahre 1985 zu Weltkulturerbe von der
UNESCO erklärt. Der erste Blick auf die Kathedrale war einfach überwältigend.
Die Gesamtfläche umfasst 23.000 qm. Die beiden 80 m hohen Türme zeigen wie zwei
Finger zum Himmel. Wir waren endlich am Ziel unserer Träume angelangt. So groß
und so schön hatten wir es uns nicht vorgestellt. Leider war der riesengroße
Vorplatz zur Hälfte mit Zelten versperrt. Hier protestierten die Studenten der
Stadt gegen die Landesregierung. Über viele Stufen gingen wir hoch zum Eingang
der Kathedrale. Die erste Kirche hatte man hier an dieser Stelle im
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