Wir beide nahmen die Muschel
Entfernung. Sie zeigte uns mit ihren Fingern
noch gut drei Kilometer. Wir sind beide müde und Helga verlangt nach einem
Bett. Ich war es auch satt, den ganzen Tag durch den Matsch vor dem Regen
weggelaufen und dabei hatten wir fast immer Glück gehabt. Vor uns geht wieder
die spanische Mädchenklasse. Schnell meinen Zettel mit der Adresse unserer
Albergue rausgeholt und der Lehrerin gezeigt. Sie sprach kein Wort Englisch und
konnte uns nicht helfen. Sie zeigte zur anderen Straßenseite, dort war eine
kleine Albergue. Für Geld und gute Worte werden wir da nicht reingehen. Wir
befinden uns im Moment auf einer sehr stark befahrenen Straße. Hier donnern die
Lastwagen ununterbrochen so laut an uns vorbei, dass man kaum das eigene Wort
versteht. Bei diesem Krach würden wir in der Nacht bestimmt nicht schlafen
können. »Komm Heinz lass uns trotzdem rüber gehen und nach unserer Adresse
fragen. Ich bin es für heute satt und möchte Schluss machen.« Eine freundliche
Herbergsmutter besah sich meinen Zettel und sagte uns in Spanisch mit sehr
vielen Worten, dass wir hier richtig wären. Das kann doch nicht sein, ich hatte
doch gestern dem Hospitalero eine ganz andere Adresse genannt. Vielleicht hatte
er mich nicht verstanden und diese hier aufgeschrieben. Es ist die Albergue »O
Burgo« mit 20 Betten. Der Eingangsbereich ist auch zugleich der
Aufenthaltsraum. Sie zeigte hinter uns. Wir drehten uns um, da standen unsere
Rucksäcke an der Wand. Wären wir hier nicht rein gegangen, wir hätten sie
bestimmt nicht gefunden. Ich fragte sie, ob der Schlafsaal zur Straße wäre, was
sie verneinte. Wir waren müde und haben zwei Betten gebucht. Nach dem Duschen
habe ich mir mein Schreibzeug und die Flasche Wein des Politikers genommen und
bin nach vorne gegangen und habe geschrieben. Da die Albergue keine Küche
hatte, musste ich die Herbergsmutter um ein Weinglas bitten. Sie war sehr
erstaunt, dass ich vom neu gewählten Bürgermeister eine Flasche Wein bekommen
hatte. Es war ein guter Tropfen und ich habe sie auf sein Wohl getrunken. An
der Wand hängt ein öffentliches Münztelefon. Eigentlich könnte ich meine Frau
einmal anrufen, genügend Eurostücke hatte ich. Schon das erste Eurostück viel
durch, das nächste Zweieurostück blieb im Schlitz hängen. Ich habe alles
versucht aber ich bekam es nicht raus. Die Herbergsmutter versuchte es, leider
ohne Erfolg. Als alles nichts nützte nahm sie eine Schere und stocherte damit
nach dem Geldstück, sie drückte es nur noch etwas tiefer. Aus ihrer Schublade
nahm sie nun einen Schlüssel und öffnete damit den Telefonkasten. Da sie sehr
klein war holte sie dazu eine Treppenleiter, stieg hoch und stocherte mit aller
Gewalt im Geldschlitz. Ich hielt die Leiter fest und gab ihr gute Ratschläge in
Deutsch und Englisch und sie antwortete in Spanisch. Manchmal konnte sie vor
lauter Lachen nicht mehr weiterstochern. Es hatte sehr lange gedauert bis sie
mein Geld raus bekam. Wir zwei hatten uns dabei köstlich amüsiert. Ich bekam mein
eingeworfenes Geld zurück und das Telefon war nicht mehr zu verwenden. Sie
zuckte einmal kurz mit ihrer Schulter und klebte den Einwurfschlitz zu. Dann
klopfte sie mir anerkennend auf die Schulter, weil ich so gut ihre Leiter
festgehalten hatte. Ich sage ihr, dass wir morgen unser Gepäck mit dem Taxi
vorschicken möchten. Kein Problem, sie nahm zwei Banderolen und ich füllte sie
aus. Als Adresse gebe ich die Albergue »Monte do Gozo« an. Es ist die größte am
Pilgerweg mit über 800 Betten. Von da aus sind es noch fünf Kilometer bis
Santiago. Das letzte Stück werden wir mit Gepäck gehen, da möchten wir keine
Heuschrecken sein. Direkt neben unserer Herberge war ein Restaurant, dort habe
ich zu Abend gegessen und bin danach zeitig ins Bett gegangen.
Pedrouzo — Santiago de Compostela
23 km, 330 m
Aufstieg, 360 m Abstieg
Dienstag,
den 31. Mai 2011
H eute haben
wir beide unseren großen Festtag, wir werden Santiago de Compostela das Ziel
unser vielen Träume nach sieben harten Wochen Pilgerschaft erreichen. Millionen
von Pilger sind in den letzten tausend Jahren vor uns diesen Weg gegangen und
haben das Grab des Hl. Jakobus besucht. Heute werden auch wir dazu gehören. Wie
oft haben wir im letzten Jahr darüber gesprochen? Wie werden wir diesen Moment
empfinden, wenn wir seine Büste umarmen dürfen? Was wird in uns Vorgehen, wenn
wir betend an seinem Schrein knien. Ich denke dies wird bei mir nicht ganz ohne
Tränen gehen. Aber ich
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