Wir beide nahmen die Muschel
Universität vorbei verließen wir die
Stadt. Es war 7:40 Uhr und wir hatten Sonnenschein. Das Thermometer zeigte 9°C
an. Für uns ein gutes Pilgerwetter. Leider ging unser Weg eine sehr lange Zeit
neben einer hässlichen Schnellstraße vorbei bis wir endlich die Berge
erreichten. Heute waren auf dem Pilgerweg viele Heuschrecken unterwegs.
Heuschrecken sind für mich Pilger, welche ihren schweren Rucksack mit dem Taxi
zur nächsten Albergue fahren lassen und dann leicht beschwingt den Weg gehen.
Oder aber noch schlimmer, Buspilger, welche nur eine kurze Etappe gehen und
dann wieder aufgenommen werden. Wehe wenn man dann total erschöpft ein Lokal
erreicht und dort durch sie keinen Sitzplatz mehr bekommt. Eine sehr schlechte
Erfahrung haben wir schon gemacht, es ist das »running for a bed«, das Rennen
für ein Bett. Schon um 5 Uhr in der Früh stehen die ersten Pilger auf, packen
mehr oder weniger leise und rücksichtsvoll ihre Rucksäcke und verlassen eilends
die Herberge. Unterwegs wird gerechnet, so viele Betten wird es im nächsten Ort
geben, so viele Pilger sind schon an mir vorbei, ich muss mich beeilen sonst
bekomme ich keinen Platz mehr. Solche Gedanken können die ganze Freude am
Pilgern und am Weg verleiden. Diese Unruhe hat auch mich immer mal wieder
gepackt und das Pilgern etwas verleidet. Es fehlt dann einfach Gelassenheit und
innere Ruhe. Allmählich steigt der Weg an. Endlich wieder unbefestigte Wege. Es
wurde steiler und es ging hinauf auf den Alto del Perdón mit 771 m Höhe. Es war
der vierte Pass auf unserem Pilgerweg. Jacke aus und rauf! Den Berg hoch hatten
wir uns getrennt, blieben aber auf Sichtkontakt. Zehn geplante Wochen
Pilgerschaft sind eine sehr lange Zeit, da kann man nicht immer wie die Kletten
zusammenhängen. Sehr oft möchte man den Weg ganz alleine genießen und seine
Gedanken schweifen lassen. Jeder muss da seine persönliche Freiheit haben.
Durch Singen und Pfeifen habe ich dabei manchen toten Punkt überwunden. Hier
oben bot sich uns ein herrlicher Rundblick über Pamplona und die Pyrenäen. Hier
auf der Passhöhe des Perdón erinnert ein Gedenkstein an die Kapelle und das
Pilgerhospital Nuestra Señora del Perdón. Daneben haben Navarras Jakobusfreunde
1996 eine eigenwillige Pilgerkarawanenskulptur aus Metall errichtet.
Überlebensgroße Männer, Frauen und Kinder mit Pferd oder Esel auf dem
Pilgerweg. Schon von weitem hatte man sie sehen können. Ich habe mich
dazwischen gestellt und Helga machte Aufnahmen. So war die Gruppe um einen
»Esel« größer geworden! Etwas Sorgen machte ich mir über unser Nachtquartier.
Eine sehr große Gruppe spanische Pilger hatten wir hier oben angetroffen.
Spanien hat eine Woche Osterferien, da kann es sehr schnell passieren, dass die
Albergues überfüllt sind. Von der Anhöhe führte uns ein zuerst sehr steiniger
und steiler Pfad abwärts, der dann zu einem angenehmen Pilgerweg nach Uterga
und Muruzabal führte. Den weiteren Weg gingen wir wieder gemeinsam. Viele
Probleme, welche unserer gemeinsamen Familien betrafen, haben wir besprochen.
Wir haben unser gemeinsames Leben offen gelegt. Eine bessere Pilgerpartnerin
hätte ich nicht finden können. Unser nächstes Ziel war die private Albergue
Usda in Obanos. Es war ein altes Herrenhaus mit 36 Betten und sollte sogar ein
Schnarcherzimmer haben. Wir hatten Glück, es hing kein Schild Completo da. Es
waren noch viele Betten unbelegt. Alles in der Albergue war neu. Ich denke, zum
Heiligen Jahr, welches im letzten Jahr war, wird man sehr viel investiert
haben. Nun lief unser normales Programm ab - Duschen, rasieren und endlich mal
meine schmutzige Wanderhose waschen. Sie hatte es sehr nötig. Nun sitze ich
hier bei schönem Sonnenschein im Innenhof, schreibe meine Notizen und denke an
den leckeren Liter Bier, welchen ich heute Mittag unterwegs in einer Bar
getrunken hatte. Dazu gab es als Selbstverpflegung: Stangenbrot,
Blauschimmelkäse und zwei Sorten scharfe Salami und als Nachtisch Süßigkeiten.
Jetzt wo ich hier draußen sitze schläft Helga den Schlaf des Gerechten. Sie hat
zu viele Stunden der letzten Nacht nachzuholen. Alle meine Sorgen, welche ich
mir wegen ihr im Vorfeld gemacht hatte, sind Schnee von gestern. Sie trägt
ihren schweren Rucksack inklusiv Wasser und Verpflegung ohne zu klagen, geht
wie eine Maschine immer im gleichen Tempo, egal ob flache, steigende oder
abschüssige Wege und ist mir dabei manchmal zu schnell. Das sieht bei mir ganz
anders aus. Am Morgen presche ich wie
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