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Wir beide nahmen die Muschel

Wir beide nahmen die Muschel

Titel: Wir beide nahmen die Muschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Hendrix
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Meter
unterhalb arbeitete, zum Glück entgegengesetzt von dem Hund. Ich kletterte über
den Zaun und ging den Berg hinunter. Ich glaube, ich habe genauso ängstlich
geschaut wie die Schafe. Ich rechnete immer noch damit, dass auch dieser Hof
einen scharfen Hund hatte. Als ich sie erreichte, schaute sie mich sehr
erstaunt an. Ich fragte sie, ob sie englisch sprechen würde, was sie verneinte.
Nun hatte ich ein Problem. Sie scheinbar nicht, sie redete freundlich ohne
Unterlass. Ich ließ sie zuerst einmal ausreden, dann erklärte ich ihr unser
Problem mit wenigen Worten und mit meinen Händen. Sie gab sich mit ihrer Antwort
viel Mühe, etwas später habe ich sie verstanden. Der Weg, wie wir ihn gegangen
waren, war richtig. Oben auf der Höhe würde er zuerst einen großen Rechts- und
dann einen Linksbogen machen. Es wäre der richtige Weg nach Lires. Dieses
falsche Schild auf dem Stein hätte sie schon mehrmals reklamiert, aber keiner
fühlte sich dafür zuständig. Welch ein Glück für uns, wir hatten nur eine
Stunde Zeit verloren. Ich bedankte mich recht herzlich bei ihr. Es ging weiter,
zum dritten Mal die gleiche Strecke. In Höhe der Raupe kamen uns zwei Pilger
entgegen, wir warnten sie sofort vor dem Hund. Sie hatten leider keine Stöcke
mit, »macht euch jeder einen Stock ab, besser zwei, sonst bekommt ihr große
Probleme.« Dankend gingen sie weiter. Unser Weg machte nach zwei Kilometer
einen großen Bogen nach rechts und wir hatten die richtige Richtung. Es ging
abwärts zum Weiler Guisamonde. Wir staunten über die sehr gepflegten Häuser und
die herrlichen Außenanlagen. Große Zitronenbäume mit vielen Früchten standen
darin. Einige hatten Bananenstauden in ihren Gärten. Die Blumenpracht ist nicht
zu beschreiben. Riesige Trompetenstauden mit sehr vielen Blüten in mehreren
Farben. Wir kamen uns vor wie in den Tropen. Leider wurde unser Weg nun sehr
morastig, nach einer halben Stunde der Weiler Frixe. Nun war es nicht mehr
weit, einen kleinen Berg noch hoch und wir sahen unter uns die Ausläufer des
Meeres. Es ging nur noch hinunter zum Ort. Wir hatten Lires erreicht, ein
kleines Örtchen mit 165 Einwohnern. Unser Hostal war auf den letzten Kilometer
sehr gut ausgeschildert. Aus unseren 14,6 km waren nun bestimmt zwanzig
geworden. Viele Baumwurzeln hatten wir heute auf unserem Weg, es war kein
einfacher Abschnitt gewesen, wir waren beide müde, aber auch zufrieden. Wir
bekamen zwei untere Betten zugewiesen, ich rasierte und duschte mich, saß nun
draußen vor dem Haus und hatte Zeit zum Schreiben. Helga schlief schon fest,
hoffentlich träumte sie nicht von diesem blöden Köter. Ein Pilgerehepaar aus
der Schweiz setzte sich zu mir und wir unterhielten uns sehr nett. Natürlich
über unseren Camino, jeder hatte ihn anderes erlebt. All diese Gespräche in den
letzten acht Wochen möchte ich um nichts in der Welt missen. Ich denke, sie
werden mich zuhause noch für lange Zeit formen. Unsere Herbergsmutter war hoch
in Umständen. Sie hat zwei kleine Jungs von zwei und sechs Jahren. Der kleine
fuhr mit seinem Dreirädchen wie ein Wilder über die Terrasse. Der Schweizer
Pilger sprach etwas spanisch. Die Herbergsmutter erzählte ihm voller Stolz,
dass sie nun nach zwei Jungen ein Mädchen bekommen würde, das Ultraschallbild
hätte es gezeigt. Wir hatten Glück, sie bot uns ein Abendessen an, das Essen
war nicht nur reichhaltig sondern auch vom Feinsten. Es gab eine sehr gut
gewürzte heiße Nudelsuppe. Als Hauptspeise eine Fischplatte umrandet mit
Eisbergsalat, Zwiebeln, Tomaten, Thunfisch und Paprika. Unsere Nachtruhe war um
22:00 Uhr. Da wir vier alleine im Schlafraum sind, werden wir bestimmt eine
ruhige Nacht haben.
     

Lires — Finisterre
     
    14 km, 130 m
Auf- und Abstieg
    Donnerstag,
den 9. Juni 2011
     
     
    W ir verließen
um 8:00 Uhr unser Hostal und wünschten unserer Herbergsmutter noch alles Gute
für ihre Niederkunft. Das Wetter war etwas besser geworden und wir freuten uns
auf unser neues Ziel »Das Ende der Welt«, in Finisterre. Gestern hatte ich mir
noch einmal den Bericht in meinem Pilgerführer durchgelesen. Schon die Kelten
waren der Bahn der Sonne bis nach Finisterre gefolgt. Auf dem Gipfel des Monte
del Facho hatten sie Fruchtbarkeits- und Sonnenriten zelebriert. Auch der phönizische
Sonnentempel Ara Solis soll dort gestanden haben. Später war für die Römer die
Landzunge das Finis Terrae, das »Ende der Welt«, wo das Meer der Finsternis,
wie sie den Atlantik nannten, begann. Als

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