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Wir beide nahmen die Muschel

Wir beide nahmen die Muschel

Titel: Wir beide nahmen die Muschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Hendrix
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man das Apostelgrab wieder entdeckte,
begann die Vermischung heidnischer und christlicher Bräuche. Zu dieser Zeit im
vierzehnten Jahrhundert war der hochverehrte »Santo Cristo de Fisterra« die
westlichste Christusdarstellung. Die Holzskulptur soll während eines Sturms
über Bord eines Schiffes geworfen worden oder gefallen sein und strandete dann
in Finisterre. Aufbewahrt wird sie in der Kirche Iglesia de Santa María das
Areas auf dem Weg zum Leuchtturm. Bis heute hält sich, die aus
mittelalterlichen Pilgerberichten überlieferte Tradition, ein Stück seiner
Kleidung am Leuchtturm zu verbrennen. Wenn man dies in der richtigen
Reihenfolge ausführt — zuerst ein Bad im Meer, Verbrennung des
Kleidungsstückes, betrachten des Sonnenuntergangs würde man am nächsten Tag als
neuer Mensch erwachen. Ich hatte nur die Befürchtung, dass meine Frau mich dann
nicht mehr erkennt. Ich glaube, für uns ist viel wichtiger am Ziel unsere
dritte Urkunde die »Fisterrana« ausgehändigt zu bekommen. Sehr schnell haben
wir dieses kleine Dorf hinter uns gelassen und waren wieder mitten im
Eukalyptuswald. Diese Riesenbäume begleiteten uns jetzt schon mehr als 150 km,
ihr herrlicher Duft begeisterte uns jeden Tag aufs Neue. Wir konnten den Tag
heute so richtig genießen. Die Strecke betrug nur 14 km, es waren keine großen
Höhen zu bewältigen und die Wirtin war gestern so freundlich und hatte uns in
der privaten Albergue »As Firas« in Finisterre zwei Betten reserviert. Auch
hatte sie die Zusage der Herbergsmutter bekommen, dass wir mehrere Tage bleiben
durften. Jetzt dürfen wir uns auf den letzten Kilometer nur nicht verlaufen.
Wir hatten einen kurzen Blick auf einen Ausläufer des Meeres, aber schon geht
es tiefer in den Wald. Unser Weg führte uns durch mehrere kleine gepflegte
Weiler. Vor uns hatten wir einen langen Bergrücken und es ging zuerst wieder
einmal hoch. Nach einer dreiviertel Stunde erreichten wir Canosa und in einer
weiteren dreiviertel Stunde Padris. Ein paar Meter und der Wald hatte uns
wieder. Das Wetter war heute besser geworden, die ersten Sonnenstrahlen
blitzten durch die hohen Bäume. »Komm Helga, lass uns hier eine Pause machen,
hier finde ich, ist eine sehr schöne Stelle.« Wir waren wieder einmal allein
auf der Welt. In den Weilern sah man keine Menschen und Autos schien es hier
auch keine zu geben. Unser Weg war sehr schlecht ausgeschildert. Ab und zu
einmal ein Pfeil auf dem Asphalt. Meistens so stark von den Traktoren
abgefahren, dass man sie kaum als solche erkannte. Nur nicht verlaufen, das
könnte schlimme Folgen haben. Wir hatten in der Länge vierzehn Kilometer nur Wald.
Zur rechten Seite ging der Wald bis zum Meer und zur linken fast achtzig
Kilometer bis kurz vor Santiago, da lohnte es sich schon auf den Weg zu achten.
Vor uns zwei alte Frauen, die Kiefernzapfen einsammelten. Ich denke, dass hier
alle Häuser noch mit Holz geheizt werden. Sehr oft sahen wir morgens rauchende
Kamine. Die Kiefernzapfen, welche sehr harzhaltig sind, werden bei ihrer
Verbrennung bestimmt einen herrlichen Duft abgeben. Im nächsten Weiler stand
ein kräftiger Esel auf der Wiese. »Helga, mach ein Bild von uns beiden.«
Vorsichtig schlich ich mich an. »Beißen Esel?« »Du Feigling du musst näher
gehen, nur keine Bange, der Esel beißt nicht.« »Helga, weiß der das auch?« Er
wurde bestimmt schon oft mit Pilgern fotografiert und hat sich benommen. Schon
wieder hatte ich zwei Esel auf dem Jakobsweg in meiner Kamera. Nach einer
dreiviertel Stunde kamen wir nach Buxan. Ein alter Mann kehrte vor seinem Haus
die Straße. An seinem Haus eine Engelstrompete bestimmt drei Meter hoch. Sie
hatte sehr viele Blüten. Wir sprachen ihn an und bewunderten diesen herrlichen
Baum. Seine Frau kam aus dem Haus und freute sich, dass wir diesen so
bestaunten. Sie pflückte zwei Glocken ab und machte sie uns zum Geschenk.
Hätten wir das zuhause auch gemacht? Wir bedankten uns und gingen weiter. Wir
kamen gut voran, ich schätzte noch sechs Kilometer bis zum Ziel. Nur
zweihundert Meter weiter stand das Ortsschild Finisterre. Das konnte nicht
sein, so schnell waren wir nicht gerannt, das musste ein Irrtum sein. Eine
Frau, die in ihrem Garten arbeitete, fragten wir nach dem Weg, »es sind noch
zwei Kilometer« war ihre Antwort. Auf diese Aussagen waren wir schon öfters
hereingefallen. Die Menschen hier oben in den Bergen kannten einfach keine
Entfernungen. Wenn sie sagten noch zwei Stunden, traf das zu, nur die
Entfernungen

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