Wir beide nahmen die Muschel
mir
heute Morgen durch den Kopf, »das Ende der Welt« hatte mich in seinen Bann
gezogen. Wie dankbar war ich gegenüber dem dort oben, der immer seine Hand so
wunderbar über uns gehalten hatte, die Dankbarkeit gegenüber meiner
Mitpilgerin. Ich dachte an die Begegnungen mit anderen Menschen in dieser
langen Zeit. Unvergesslich wird auch die Begegnung mit der galicischen
Landschaft, der Kultur und der Gastfreundschaft dieses Landstrichs bleiben. Der
würzige Geruch der Pinien- und Eukalyptuswälder. Langsam stieg ich die Klippen
hinunter. Allzu weit wollte ich es nicht riskieren, dafür war es hier zu steil
und gefährlich. Viele Pilger saßen hier und verbrannten ein Kleidungsstück, bei
dem starken Wind war das schon ein kleines Kunststück. Manche Felsen sind vom
Rauch der Feuer im Laufe der Zeit ganz schwarz geworden. Einige Pilger haben
ein Bild ihrer Lieben von zuhause mitgebracht und legten es hier ab, manche
auch einen Totenzettel oder einen Brief. Ich setzte mich hin und ließ den Blick
aufs Meer auf mich einwirken. Nun war meine Pilgerschaft zum Grab des Heiligen
Jakobus für mich beendet. Ich dachte noch einmal über unseren langen Weg nach,
vieles ist bei mir schon nicht mehr gespeichert, an viele Momente denke ich
aber noch sehr gerne zurück. Ich dachte an die vielen Menschen zuhause, deren
Bitten wir auf unserem Weg mitgenommen hatten. Ich schaute auf das Meer und
sah, wie mit unbändiger Wucht die Wellen gegen die Felsen schlugen. Wie
empfanden wohl die ersten Pilger im Mittelalter diesen Ort? Damals glaubte man,
dass die Seelen der Verstorbenen von diesem Felsen ins Meer eintauchen würden,
um weit draußen die Inseln der Glückseeligen zu erreichen. Lange Zeit saß ich
hier und habe über vieles nachgedacht. Sehr störend waren für mich die
Buspilger, die in großer Zahl durch die Klippen gestiegen sind und meinten, sie
müssten jeden Stein und jeden Pilger fotografieren. Ich verließ diesen Ort,
aber nicht für lange, ich werde mit meiner Partnerin so schnell wie möglich
zurückkommen. Im Leuchtturmgebäude holte ich mir noch einen Stempel, nun ging
es zurück. Es schien ein wenig die Sonne. Das Meer hatte am Horizont einen
starken Nebelstreifen, ob es sich lohnen würde, heute mit dem Schiff raus zu
fahren? Mal sehen, welche Meinung meine Partnerin dazu hat. Wir wollten uns um
18:30 Uhr mit Isabella am Fischmarkt treffen. Ich denke, sie wird enttäuscht
sein, wenn wir nicht kommen! Als ich zurückkam, war meine Partnerin schon da,
wir hatten beide großen Hunger. Ein Glück das wir gestern schon vorgekocht
hatten, so waren wir schnell fertig. Nach dem Essen sprachen wir über die
Bootstour. Helga hatte nicht die richtige Lust, »wenn das Wetter nicht optimal
ist, bleibe ich lieber hier, fahre du ruhig mit, du freust dich doch darauf.«
Um 18:30 Uhr traf ich Isabella am Hafen, sie war für so eine Tour viel zu
leicht angezogen. Am Anlegesteg des Bootes erfuhren wir, dass wir eine Stunde
zu früh gekommen waren. »Heinz ich gehe zurück zu meiner Albergue und ziehe mir
etwas Wärmeres an, ich habe heute eine junge Pilgerin kennen gelernt, die wird
bestimmt gerne mit uns raus fahren.« Ich hatte Zeit für ein Glas Bier und wir
trafen uns eine Stunde später. Sie hatte ihre Bekannte Stefanie mitgebracht.
Mal sehen ob das Schiff überhaupt ausläuft. Mindestens fünf Personen müssen
teilnehmen. Wir hatten Glück, zwei Pärchen warteten schon. Es war eine sehr
gefährliche Angelegenheit an Bord zu kommen. Das Bootsdeck lag fast einen Meter
tiefer. Ich hätte lieber eine Leiter benutzt, aber es ging auch mit vier starken
Armen, die uns unterstützten. Das Boot stach in See und fuhr über zwei Stunden
an der Bucht entlang. Die Sonne ging hinter den Bergen unter, was für eine
Enttäuschung. Das Boot fuhr rüber zum Kap, plötzlich war die Sonne wieder vor
uns zu sehen. In den Klippen saßen viele Pilger und verbrannten ihre
Kleidungsstücke, einige winkten uns zu. Ganz langsam ging die Sonne hinter
einer Nebelwand unter. Als sie verschwunden war, erstrahlte der ganze Himmel in
gelbem und rotem Licht. Es war ein herrlicher Anblick, die Tour hatte sich voll
gelohnt. Auch die Pilger, welche in den Klippen saßen, würden voll zufrieden
sein. Als ich heute am frühen Nachmittag vom Kap hinunter ging, kamen mir viele
Pilger sehr bepackt entgegen. Sie hatten ganze Kartons mit Thunfischkuchen und
Sektflaschen in ihrem Gepäck. So möchte auch ich mit meiner Partnerin einen
Abend hier oben verbringen. Es war
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