Wir beide nahmen die Muschel
anwesenden Pilgern
begrüßt. Wie immer suchte ich meine Englischbrocken zusammen. Ganz anders
Helga! Sie unterhielt sich mit jedem Pilger, egal welcher Nation. Durch ihre
Herzlichkeit hatte sie keine Kontaktprobleme. Zur Not ging es bei ihr mit
Händen und Füßen. Fast jeder hat sie unter vielem Lachen verstanden. Wenn ihre
Arme bei ihren Erklärungen wie Windmühlenflügel ruderten, gab es sehr oft ein
herzhaftes Gelächter von allen Seiten. Ein Singvogel in seinem Käfig an der
Wand sang uns heute sein Lied. Wir hatten uns hier sehr wohl gefühlt. Gestern
Abend hatten wir an der Rezeption ein sehr schönes T-Shirt für 10,00 Euro mit
der Aufschrift »Auf den Weg nach Santiago« gesehen. Wir wollten es uns kaufen,
haben es dann doch vergessen. Zum Abschied bastelte der türkische Herbergsvater
aus Draht Helga einen Pilger und mir eine Blume. Der Abschied ist uns schwer
gefallen. Erst um 8:45 Uhr starteten wir los. Heute soll es nur bis Viana
gehen, 19,5 km. Eine größere Ortschaft mit 3.800 Einwohnern. Sie wurde schon
1219 gegründet. Im Pilgerführer stand, man sollte sich Zeit lassen für eine
kurze Besichtigung. Man würde überall auf prunkvolle Gebäude, schöne Plätze und
Reste der Befestigungsanlagen treffen. Besonders die Pfarrkirche Santa Maria
wäre sehenswert. Mal sehen was unsere Füße uns bei der Ankunft sagen. Unsere
Außentemperatur betrug 8°C und es war sehr bedeckt. Um uns herum breitete sich
eine von Mensch und Natur modellierte, sanft hügelige Landschaft mit
Getreidefeldern, Weinbergen und Wäldern aus. Es war ein wunderschönes Farbspiel
von frischen Grüntönen und erdigen Brauntönen der frisch gepflügten Felder. Wir
begannen wie jeden Tag. War der Weg schwer und gefährlich gingen wir zusammen,
ging es hinunter oder es war eben, zog ich durch und wir gingen auf
Blickkontakt, manchmal auch weiter auseinander. Aber schon nach zwei Stunden
hatte man so viel gesehen, so viele Fragen, da möchte man sich mitteilen und
wir fanden wieder zusammen. Dann ist man froh, dass man diesen Weg nicht
alleine gehe muss. Ich muss meiner Partnerin hier mal ein großes Kompliment machen.
Sie ist die beste Partnerin, welche man sich auf so einer langen Pilgerreise
wünschen kann. Hat selten schlechte Laune, hat immer für mich als älteren
Menschen Verständnis, besonders bei meinen Vergesslichkeiten. Wie oft habe ich
beim Weggehen in den Albergues etwas vergessen. Sie hat es still genommen und
mir ohne große Worte gegeben. Wenn ich ein Wegeszeichen übersehen habe,
korrigiert sie dies ohne große Worte. Lässt mir niemals anmerken, dass ich als
Älterer der Schwächere bin. Hilft mir bei jeder Rast aus dem Rucksack, ebenso
beim Aufnehmen. Wenn ich große Probleme am Ziel habe, öffnet sie mir meine
Schuhriemen. Bedankt sich oft bei mir, für meine sehr gute Vorplanung, welche
uns schon manche Vorteile verschafft hat. Sie nimmt sehr gerne von mir einen
Rat an. Wir sind schon ein tolles Team. Nun aber genug des Lobes sonst hat sie
morgen noch einen Heiligenschein. Wir wanderten im weiteren Verlauf über
Schotter Straßen durch eine sehr offene und recht ebene Landschaft. Von das auf
einer Anhöhe gelegenen Dorf Sansol hatten wir einen schönen Blick auf Torres
del Río, wo wir nach drei Stunden unsere erste Pause einlegten. Die Landschaft
änderte sich kaum bis auf einem kurzen Stück, wo wir wieder neben der
Schnellstraße N 111 gehen müssen. Dafür wurden wir anschließend entschädigt mit
einem Weg, welcher 10 Prozent Gefälle hatte und unsere Beine schneller werden
ließ. Die ganzen Wegesränder waren heute wieder voll blühender Blumen und
Ginster. Wenn unsere Blumenfreundin Käthe bei uns gewesen wäre, hatte ihr
Schäufelchen mit Plastiktüte nicht ausgereicht, sie hätte schon einen Anhänger
mitschleppen müssen. Ich hatte mir zuhause vorgenommen alle diese Blumen mit
meiner Kamera mit Makroeinstellung aufzunehmen. Leider habe ich keine einzige
fotografiert. Bei diesen Anstrengungen, welche wir jeden Tag zu bewältigen
hatten, waren wir froh, dass wir nicht in die Knie gehen müssen. Solche
Anstrengungen sind in meinem Alter einfach nicht mehr möglich. An manchen
Stellen des Pilgerweges sind kleine Steinhöhlen gebaut. Sie dienen bei
schlechtem Wetter als Notaufnahme für verletzte Pilger. Besonders in der Zeit
als es noch keine Handys gab und der Verletzte oft mehr als zehn Stunden auf
Hilfe warten musste, waren sie sehr wichtig. Immer länger zog sich der Weg. Nur
selten sahen wir einen Stein
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