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Wir beide nahmen die Muschel

Wir beide nahmen die Muschel

Titel: Wir beide nahmen die Muschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Hendrix
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gezogen und war scheinbar
eingeschlafen. Es war mittlerweile dunkel geworden und die ersten Jugendliche
und Kinder kamen ins Jugendheim. Ich hörte leise Schritte im Flur und plötzlich
standen zwei Jungen in unserem Raum. Wollten diese Stehlen? Als sie mich sahen,
rannten sie weg. Wir hatten noch einmal Glück gehabt, was wäre gewesen wenn wir
zum Essen gegangen wären? Abschließen konnte man den Raum nicht. Mir juckte es
bald am ganzen Körper. Sehr lange lag ich wach und machte mir Gedanken.
Verpflegung hatten wir keine mehr. Es war also wichtig diese am nächsten Morgen
sofort einzukaufen, aber wo? Alle Geschäfte machten erst um 10:00 Uhr auf, dann
waren wir schon zwei Stunden unterwegs. Zuerst benötigten wir morgen einen
Bäcker oder ein Café wo wir frühstücken konnten. Mir knurrte ja jetzt schon
stark der Magen. Unbedingt musste ich mit Helga ihren Geburtstag nachfeiern.
Mal sehen, ob ich hier irgendwo eine Flasche Sekt kaufen kann, aber wie will
ich den kühlen. Mittlerweile waren mehrere Jugendliche gekommen und hämmerten
auf den Automaten rum. Wo waren wir nur gelandet? Es war schon nach 21:00 Uhr
als unsere Tür aufging und die Herbergsmutter mit einer verspäteten spanischen
Pilgerin rein kam. Ich schaute nur einmal kurz rüber. Sie kam rein ohne zu
grüßen. Die war bei mir schon unten durch! Sie sah sofort, dass das Bett über
Helga keine Matratze hatte. Also hatte die sich in der Not auch so bedient. Die
Herbergsmutter sah über meinem Bett, auch keine Matratze. Konnte ja nicht, da
lag ja ich drauf. Helga schlief, also musste ich meine abgeben, dies gab sie
mir ganz klar zu verstehen. Was blieb mir anders übrig. Die Herbergsmutter
ging, die Pilgerin packte unter großen Geraschel ihren halben Rucksack aus und
ging duschen. Als sie zurück kam ließ sie unsere Tür weit offen stehen. So
hätte jeder in der Nacht bei uns stehlen können, ohne dass wir es bemerkten.
Ich stand auf und machte sie zu. Sie warf mir einen bösen Blick zu und stieg
ins obere Bett. Wenige Minuten später war sie fest eingeschlafen. Wir hatten
heute voll in die Kloschüssel gegriffen. Sie war das größte Rhinozeros, welches
wir auf dem gesamten Camino erleben durften. Sie konnte schnarchen, so laut wie
eine Trompete und das in vielen Variationen. Es war zum Verzweifeln. Eigentlich
hätten die Betten zittern müssen so laut war sie. Ich wusste mir keinen Rat
mehr, so konnte ich nicht auf den Stangen schlafen. Helge war doch wach und
hatte alles mitbekommen. »Komm mit mir, wir suchen für dich eine Matratze.« Wir
gingen von Raum zu Raum. Alle Pilger waren zum Abendessen gegangen. Endlich
fanden wir ein unbenutztes Bett und nahmen die Matratze mit. Wie hatte Helga am
Anfang unseres Pilgerweges, als ich auf meine Vergesslichkeit zu sprechen kam,
gesagt, »Heinz mache dir keine Sorgen, du hast bei mir rundum sorglos gebucht.«
Heute Abend habe ich es erfahren. Wir haben fast bis zum nächsten Morgen wegen
diesem Rhinozeros wach gelegen. Kurz nach 6:00 Uhr in der Früh stand sie auf,
zog sich an und ging ohne Gruß zur Tür hinaus. Ich hätte sie sehr gerne noch
zum Abschied in den Hintern getreten. Darf man als Pilger so furchtbare Gedanken
haben? Wie wäre diese Nacht ausgegangen, wenn unsere resolute Ulrike aus meiner
Wandergruppe bei uns gewesen wäre?

Estella/Lizarra — Los Arcos
     
    21,4 km, 470 m
Aufstieg, 410 m Abstieg
    Mittwoch, den 20. April 2011
     
     
    A ls wir heute
aufstanden stellten wir fest, dass wir total von Wanzen zerstochen waren.
Jetzt, wo ich an meinem Computer sitze und diese Zeilen schreibe, habe ich eine
Gänsehaut und mir juckt wieder der ganze Körper. Ich darf einfach nicht mehr
daran denken. Wir haben die Wanzen noch tagelang in unseren Schlafsäcken
mitgeschleppt, da nutzte auch kein Ausschütteln etwas. Ich sagte zu Helga an
diesem Morgen, sollten wir auf unserem weiteren Weg noch mehrere solchen
kirchliche Schweineställe haben, trete ich aus der Kirche aus. Ich hatte mich
in meiner Jakobusbruderschaft ein Unterkunftsverzeichnis schicken lassen und
hatte es nicht benutzt. Es war eindeutig meine eigene Schuld. Ich sah im
Verzeichnis nach, was über diese Unterkunft geschrieben stand: Unpersönlich und
abgewohnt, viele der Einrichtungen sind defekt. Matratzen durchgelegen, Betten
wackelig, nur 2 Duschen und WC. Was bin ich für ein Trottel gewesen und das an
Helgas Geburtstag? Das konnte ich nie mehr gut machen! Für heute habe ich jeden
Plan gestrichen. Mal sehen, was das Schicksal für

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