Wir beide nahmen die Muschel
überholt uns denn da? Ein sehr putziger
Rauhaardackel lief neben uns her. Ich musste aufpassen nicht auf ihn zu treten.
Vor und hinter uns gingen Pilger, wem wird er wohl gehören? Er hatte mich als
seinen neuen Herrn ausgesucht, er wich nicht von meiner Seite. Wir haben nicht
feststellen können, zu wem er gehörte. Das Ehepaar vor uns drehte sich manchmal
um, ob sie die Besitzer waren? Kilometer weit ging er mit uns. Er hat mich sehr
gut von meinen Schmerzen in meinen Knochen abgelenkt. Unsere Landschaft ist
Wald so weit das Auge reicht. Nun liefen wir schon wieder zwei Stunden, nur
Helga hatte scheinbar keine Probleme, sie lief wie ein Uhrwerk. Sollen wir
nicht endlich eine Pause einlegen? Mir zieht es hier zu stark, war ihre
Antwort. Also Zähne zusammen beißen und weitergehen! Viele spanische Pilger,
welche wir in den letzten Tagen gesehen hatten, fanden sich zu einer großen
Gruppe zusammen und machten Picknick. Endlich hatten auch wir eine
windgeschützte Stelle gefunden. Wie gut tut es doch, einmal 30 Minuten zu
ruhen. Unser kleiner Freund hatte sich andere Pilger ausgesucht. Eben noch war
ein Ehepaar mit dem Dackel an uns vorbei gegangen. Wie schrecklich war das
Aufstehen, steif bis in den letzten Gliedern kann man nur noch humpeln. So nach
und nach lässt der Schmerz nach und man geht wieder fast beschwerdefrei. Wie
mag es hier im Mittelalter den Pilgern ergangen sein? Welche Fußbekleidung
werden sie gehabt haben? Vielleicht Lederlappen, welche gebunden wurden. Da hat
man bestimmt jeden kleinen Stein durch gespürt. Sehr lange werden solche auch
nicht gehalten haben. Wovon haben sie sich ernährt? An einer alten Klosterpforte
konnte man noch die Pilgerklappe bewundern, wo man ihnen früher eine Speise
durchgereicht hatte. Diese Regionen am Pilgerweg sind auch heute nicht mit
Reichtümern gesegnet. Wir haben hier immer wieder Geldautomaten am Pilgerweg
und können uns kaufen was unser Herz begehrt. Auch mit unserer Ausrüstung sind
wir auf dem Weg schon »Ersteklassepilger«. Wasserdichte Schuhe, Atmungsaktive
schnell trocknende Wäsche. Wir haben nun eine Höhe von 1162 m erreicht. Wer
kann sich in unserem Flachland wohl vorstellen, wie hoch 1162 m sind? Fünf
Stunden haben wir bis hier benötigt. Ein Denkmal steht auf der rechten Seite,
1936 im spanischen Bürgerkrieg hat man hier eine Gruppe Republikaner
erschossen. Der Gedenkstein trägt die Schrift: »Nicht ihr Tod war sinnlos, sondern
ihre Erschießung, mögen sie ruhen in Frieden.« Unmittelbar danach zwingt uns
ein tiefer Taleinschnitt zu einem kurzen aber steilen Ab- und wieder Aufstieg.
Bei jedem Schritt schmerzen die Gelenke. Plötzlich rast ein Geländewagen mit
einer riesigen Staubwolke auf uns zu. Ganz aufgeregt fragt uns der Fahrer, ob
wir nicht einen kleinen Rauhaardackel gesehen hätten? Oh ja, der kann nicht
weit vor uns sein. Vor wenigen Minuten kam ein Ehepaar mit ihm an uns vorbei.
Er hatte kaum Zeit, sich für diese Antwort zu bedanken, so schnell brauste er
los. Nach kurzer Zeit kam er zurück und hat sich vielmals bei uns bedankt. Der
Ausreißer saß schmusend auf seinem Schoß und begrüßte uns mit seinem Bellen.
Still und heimlich hatte er sich in Espinosa del Camino davongeschlichen. Über
drei Stunden war er mit den Pilgern gegangen. Sein Herrchen hatte kaum genügend
Worte, um sich bei uns zu bedanken. Es war ein schöner Anblick, beide wieder
vereint zu sehen. Ich glaube wir waren alle vier glücklich. Wir müssen weiter,
unser Ziel ist San Juan De Ortega, welches wir über einem breiten Forstweg nach
7,5 Std. erreichen. Einsam liegt der Ort in der Landschaft, nur noch 18
Menschen sollen hier leben und für uns keine Einkaufsmöglichkeit. In einer Bar
sollte es Frühstück und Abendessen geben. Der Legende nach hat dieser Ort einen
alten Dorfbrunnen. Ein Schluck Wasser aus diesem Brunnen soll die Fruchtbarkeit
der Frauen erhöhen. Da meine Mitpilgerin schon drei erwachsene Kinder hat, habe
ich ihr diese Weisheit vorenthalten. Auf dem weiträumigen Platz vor dem
Kloster, das weitab vom Lärm der Straße und entrückt von der Hektik der Zeit
still und zeitlos in der freundlichen Harmonie des flachen Talgrundes liegt,
kann man ein wenig den Geist des Ortes erahnen. Wir haben unser Tagesziel erreicht.
Jetzt nur noch rasieren, duschen, Wäsche waschen und schlafen. »Helga, hast du
in deinem Rucksack noch meine Wäscheleine und meine Klammern?« »Nein, ich habe
dein Päckchen gestern verliehen und nur ein paar Klammern
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