Wir beide nahmen die Muschel
fast 1000 Jahren zieht sich der
Jakobsweg als Calle Mayor schnurgerade durch Santo Domingo. Die schöne Altstadt
machte uns den Abschied schwer. Am Ortsausgang überquerten wir den Río Oja, und
liefen wieder an der N 120 vorbei. Aber schon nach kurzer Zeit bog der Fußweg
ab und wir wanderten einen flachen Hügel hoch und hinunter. Die Weinberge
hatten wir schon gestern hinter uns gelassen. Wir betraten die Kornkammer
Spaniens. Weißenfelder so weit das Auge reicht.
Heute gibt
es laut Pilgerführer zwei Wegestrecken. Eine an der N 120 vorbei, oder eine
etwas längere Strecke durch Felder und kleine Ortschaften. Wir haben uns für
die zweite entschieden. Wir wollten keine rasenden Lastzüge mehr sehen. Lieber
durch die Stille der Natur gehen. Vorbei ist es mit blühendem Ginster und
Klatschmohn, nur noch sattgrüne Weißenfelder so weit das Auge reicht. Der Weg
ist im Vergleich zu gestern sehr gut. Zum Teil asphaltiert, aber zum größten
Teil festgewalzter Kies. Die Ausschilderung der Wege ist hervorragend. Man
merkt deutlich, dass im vergangenen Jahr ein heiliges Jahr war. Das Heilige
compostelanische Jahr wird begangen, wenn der Festtag des Hl. Jakobus am 25.
Juli auf einen Sonntag fällt. Es ist identisch mit dem entsprechenden
Kalenderjahr. Es wird am 31. Dezember des Vorjahres mit der Öffnung der
Heiligen Pforte begonnen. Das nächste Heilige Jahr feiert die Kirche wieder
2021. Römisch-katholische Christen und Angehörige der mit Rom unierten Kirchen
haben ein Mal pro heiligem Jahr die Möglichkeit, einen Plenarablass zeitlicher
Sündenstrafen zu erwerben, diese Jahre werden auch Gnadenjahre genannt. Zur
Erlangung dieses vollkommenen Ablasses müssen seitens der Pilger drei
Bedingungen erfüllt sein:
1) Besuch
der Kathedrale von Santiago de Compostela aus Gründen der Verehrung und in
Bußgesinnung
2) Teilnahme
an einem Gottesdienst in der Kathedrale sowie Verrichtung des Vaterunsers des
Credos und eines Gebetes in den beiden Intentionen des Papstes für den
jeweiligen Monat
3) Empfang
der Sakramente der Buße und der Eucharistie. Dabei soll die Kommunion in der
Kathedrale empfangen werden und die Beichte innerhalb von fünfzehn Tagen vor
oder nach dem Besuch der Kathedrale erfolgen.
Die Art der Anreise hat für die
Erlangung des Plenarablasses keine Bedeutung.
Die an nichtmotorisierte Pilger
ausgegebene Urkunde »Compostela« ist keine Ablassbescheinigung.
Auch hat die
EU im letzten Jahr die gesamte Pilgers trecke bis Santiago de Compostela zum
Europäischen Naturweg erklärt. Wir beide nehmen das dankend an. Oh weh, was ist
das, ein kritisches Gefühl bahnt sich in meinem Bauch an, schnell hinter einem
Strauch verdrückt und die Natur gedüngt. Das ist das Schöne am Pilgerweg, wir
haben eine riesengroße Toilette ohne Klinken von Saint-Jean-Pied-de-Port bis
Santiago. Die Wolken sind in der letzten viertel Stunde sehr bedrohlich
geworden. Wir können sehen, dass es zwei Kilometer vor uns schon kräftig
regnet. Es dauert nicht lange und wir mussten unsere Regenkleidung anziehen und
eine Hülle über unseren Rucksack ziehen. Es ist jedes Mal ein kleines Problem
für uns. Meistens finden wir nicht eine geeignete Stelle, wo wir unseren
Rucksack abstellen können. Es fing leicht an zu regnen. Unsere Entscheidung war
richtig gewesen, aber nach einem Kilometer war auch schon wieder alles vorbei.
Den nassen Anorak aus und über die Pilgertasche gehangen, Fleece-Jacke wieder
an und schon geht es weiter. Bei einer kurzen Rast musste ich feststellen, dass
ich mein Schreibheft mit all meinen Notizen nicht in eine Plastiktüte verpackt
hatte. Der Rucksack ist durch die Regenhülle von außen geschützt, nur nicht im
Rückenteil und genau in dieser Innentasche hatte ich es gesteckt. Es war zum
Auswringen nass. »Heinz du wirst alt und vergesslich, so etwas darf bei deiner
guten Planung nicht passieren«, meinte meine Mitpilgerin. Sie hatte vollkommen
Recht. In Grañón gehen wir in den abschüssigen Feldweg und erreichen eine halbe
Stunde später einen Grenzstein und haben nun den Beginn der autonomen Region
Castilla y León / Provinz Burgos erreicht. In kurzen Abständen folgen nun die
kleinen Ortschaften Castildelgado und eine halbe Stunde später Viloria de
Rioja. Hier erblickte Santo Domingo, der spätere Gründer von Santo Domingo de
la Calzada, das Licht der Welt. Drei Mal wechselten wir unsere Kleidung. Meine
Mitpilgerin wurde immer stiller. Irgendetwas stimmte nicht mit ihr.
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