Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir beide nahmen die Muschel

Wir beide nahmen die Muschel

Titel: Wir beide nahmen die Muschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Hendrix
Vom Netzwerk:
dicken Hagelkörnern. So ist die Meseta, einer erlebt sie mit einem
Wolkenbruch, der andere mit Hagelkörnern und der Übernächste kommt vielleicht
eine Stunde später und hat den schönsten Sonnenschein. Leider verschläft meine
Mitpilgerin all diese schönen Gespräche. Jeder von uns lebt sein Leben so wie
er es möchte und ich finde das gut so. Ich beendige meinen Bericht und suche
das Geschäft auf, leider war es geschlossen. Wie will ich das nun meiner
Partnerin beibringen? Also wird es morgen zum Frühstück genau wie gestern
nichts geben. Wie ich in meinem Pilgerführer lese, gibt es auf der gesamten
Strecke
    nichts zu
kaufen. Ich könnte ihr sagen, das Geschäft war nach dem Wolkenbruch
geschlossen, aber ich will lieber ehrlich sein. Das Lügen liegt mir nicht so.
Nun muss ich sie wecken, damit wir noch zwei der sechzehn Sitzplätze bekommen.
Ein Glück das ich meine Mitpilgerin habe. Bevor ich ging, hatte ich vergessen
meinen Schlafsack in meinem Bett auszurollen. So sieht jeder später kommende,
dass dieses Bett belegt ist. Als sie von der Toilette kam, hatte ein Franzose
in meinem Bett gelegen. Wie eine Löwin hatte sie mein Bett verteidigt, bis der
Mann gegangen war. Nun musste ich ihr gestehen, dass es morgen kein Frühstück
geben würde. Sie hat diese schlechte Nachricht sehr gefasst aufgenommen.
Irgendwo werden wir bestimmt etwas kaufen können. Warten wir einmal ab bis
morgen. Wir gingen zum Essen und bekamen mit knapper Not noch zwei freie
Plätze. Nach dem Essen mussten wir sofort zahlen, weil die nächsten schon auf
der Treppe standen und vor Hunger warteten. Wir waren für heute geschafft.
Zuerst der anstrengende Weg, dann total durchnässt worden. Wir wollten nur noch
schlafen. Schnell meinen Rucksack vorgepackt und meine Pilgertasche, deren
Ausmaßen immer größer wurden nachgesehen, oh Schreck mein Brustbeutel ist weg.
Darin waren zwei Scheckkarten mein Personalausweis und unsere Rückflugtickets.
Ganz ruhig, zuerst einmal überlegen, wann hast du ihn zuletzt gehabt? Ich
konnte keinen klaren Gedanken fassen. »Helga, mein Brustbeutel ist weg!« Sie
machte einen Riesensatz von ihrem oberen Bett hinunter. Geh mal weg, lass mich
nachschauen. Sie nahm meine Pilgertasche und er lag darunter. Meine unmögliche
Vergesslichkeit. Ganz in Gedanken hatte ich ihn raus genommen und darunter
gelegt. Bettruhe war um 20:45 Uhr.

Hornillos del
Camino — Castrojeriz
     
    19,9 km, 140
m Aufstieg, 220 m Abstieg
    Montag, den
2. Mai 2011
     
     
    U m 6:30 Uhr
habe ich nach einer ruhigen Nacht meine Partnerin geweckt. Sie schaute zuerst
nach unserer Kleidung. Sie hatte gestern alle Kleidungsstücke mehrmals am
Heizungskörper gedreht. Alles war trocken, wunderbar es ist bestimmt nicht
angenehm, mit nasser Kleidung am Körper zu gehen. Schnell unsere Schlafsäcke
eingerollt, alles nachgesehen, ob wir auch nichts vergessen hatten und konnten
dann um 7:40 Uhr leider ungewaschen losgehen. Beim rausgehen stellten wir fest,
dass draußen totaler Nebel war. Wieder zurück, Rucksack auf und unsere
Regenkleidung angezogen. Die Wegstrecke für heute hatte ich gestern Abend schon
festgelegt. Über Hontanas nach Castrojeriz. Der Weg aus dem Ort war
festgefahrenes Geröll, welches gut zu begehen war. Die Sicht ca. 200 Meter und
die Außentemperatur ca. 15°C. Helga machte mich auf meinen Fehler von gestern
noch einmal Aufmerksam. »Ich habe dir schon vor unserem Flug gesagt, dass ich
mich bei der Ankunft in der Albergue hinlegen werde. Deine Aufgabe ist es,
zuerst für unsere Nahrung zu sorgen. Es kann nicht sein, das wir beide als
Diabetiker schon vier Tage ohne Frühstück aus dem Haus gehen. Wie oft bis du in
den drei Wochen morgens in die Unterzuckerung gekommen und musstest als Notlösung
Traubenzucker nehmen. Siehe deine Berichte schreiben einmal als zweitrangig
an.« Sie hatte Recht, ich musste mich da bessern. »Hast du gestern Abend als
wir zum Essen gingen nicht die Pilger gesehen, welche mit vollen Tragetaschen
vom Geschäft kamen? Als wir nach dem Essen dort hin gingen, hatte es zu. Auch
wir hätten vorher noch etwas bekommen. Hoffentlich müssen wir nicht bis zu
Nachmittag nüchtern bleiben.« Unser Weg wurde ansteigend und beschwerlicher.
Zum Glück stieg der Nebel auf und wir konnten wieder die Landschaft genießen.
Vor uns gab es sehr große Weißenfelder im satten Grün. Einige umgepflügte
Felder in dunkelrot vom tonhaltigem Boden. Kaum ein Baum oder Strauch. Das
Zeitgefühl kommt in dieser unendlichen Weite

Weitere Kostenlose Bücher