Wir beide nahmen die Muschel
total durcheinander. Wir gingen einen
strammen Schritt, ca. 5 km pro Stunde. Ich denke wir haben acht Kilometer
hinter uns gelassen. Ein Blick auf meine Uhr, wir waren erst fünfzig Minuten
gelaufen. Die Stunden scheinen endlos. 2,5 Liter Wasser hatte jeder mit, das
waren 2,5 kg mehr auf dem Rücken und das vierzehn Tage lang. Wie anstrengend
muss dieser Weg erst im Sommer sein, wenn in der Hitze einen auch noch die
Insekten quälten? Aber auch wir hatten schwer zu kämpfen. Nach den beiden sehr
starken Wolkenbrüchen sind große Strecken des Weges total aufgeweicht. Manchmal
stand der Weg unter Wasser und wir mussten ins Feld ausweichen. Aber es gab
auch etwas Erfreuliches an diesem Morgen. Hunderte Lerchen erfreuten uns mit
ihrem Gesang. Weiter über das faszinierende weite, sanft gewellte Hochland
kommen wir nach anderthalb Stunden zur einsam in einer Senke gelegenen Herberge
von San Bol. Dieser ehemalige Weiler wurde 1503 aus unbekannten Gründen von
seinen Einwohner verlassen. Anderthalb Stunden sind wir nun unterwegs und haben
eine Höhe von 903 Meter erreicht. Von der Senke geht es wieder hinauf auf die
Hochebene, in der lange Zeit keine Ortschaft zu sehen ist, bis wir unvermittelt
nach einer Stunde über dem in ein Tal geduckten Hontanas stehen. Ein kleiner
Ort mit 65 Einwohnern. Eine halbe Stunde benötigen wir bis dorthin und waren
erfreut einige Bars anzutreffen. Wir fanden eine gegenüber der Kirche, mit
vielen Möglichkeiten draußen Platz zu nehmen, bestellten uns ein Baguette mit
Käse, Ei und Tomate und unser Lieblingsgericht, ein leckeres Stück Tortilla mit
Paprika, dazu ein Glas Cola. Diese war für mich sehr wichtig, weil ich vorher
bemerkt hatte, dass ich wieder etwas unterzuckert war. Ich hatte schnell einen
Traubenzucker genommen und mein stolpern war beendet gewesen. Ich hatte großes Glück
und erstand noch zwei Marsriegel als Notlösung für die nächsten Tage.
Zwischenzeitlich war die Sonne rausgekommen und wir blieben über eine halbe
Stunde draußen sitzen. Leider sahen wir keine bekannten Pilger mehr. Durch
unsere beiden Verlängerungstage in Burgos war das nicht mehr möglich. Es geht
nun wieder den Berg hinunter. Nach anderthalb Stunden erreichen wir die
Klosterruine San Antón. Sie gehört zu den sonderbarsten Ruinen am Pilgerweg.
Die Landstraße verläuft mitten durch das Bogengewölbe, das einst Kloster und
Kirche verband. Gegründet wurde das Kloster im 12. Jh. als Pilgerhospital des
Sankt-Antonius-Ordens. Die wenigen noch erhaltenen Mauern der Kirche stammen
aus dem 14./15. Jh. Seit dem 12. Jh. kümmerten sich hier die Mönche vor allem
um Arme, die am Antoniusfeuer litten, einer Vergiftung die durch den
Mutterkornpilz, einen Parasiten des Roggens ausgelöst wurde und meistens
tödlich endete. Zur Linderung und Vorbeugung wurde unter anderem der
Antoniussegen mit einem T-förmigen Kreuz erteilt. Die Mönche trugen es als
Erkennungszeichen. So wurde es zum Cruz del Peregrino und ist noch heute eines
der mystischsten Symbole am Jakobsweg. In einer Mauer ist noch die Öffnung der
Fensternische erhalten, wo die Mönche die Verpflegung für die Pilger bereitstellten,
welche zu spät kamen. Nach gut einer Stunde hatten wir Castrojeriz, einem
kleinen Städtchen mit 570 Einwohnern erreicht. Wunderschön anzusehen war die
riesige Burgruine Castillo oben auf dem Hügel aus dem 9. Jh. Sie gab dem Ort
ihren Namen. Sie war im 9./10. Jh. ein bedeutender Stützpunkt im Kampf der
Christen gegen die Araber. Im 11. Jh. war sie Königsresidenz und der Ort zählte
bis zu neun Kirchen und sieben Pilgerhospitäler. Im außerhalb der Burg
gelegenen Convento de Santa Clara (gegründet im 14. Jh.) stellen heute Nonnen
Gebäck, sowie Tau-Kreuze aus Holz her. Die 974 bewilligten Stadtrechte gelten
als das älteste Kastilien. Der Ort jedoch hat eine noch ältere Geschichte, denn
er stammt aus westgotischer Zeit. Er hat sich zu Füßen des Hügels ausgebreitet
und besteht hauptsächlich aus einer über einen Kilometer langen Straße. Im Ort
gab es mehrere Albergues. Wir suchten uns eine kleine private mit nur 26 Betten
mit Namen Casa Nostra und bekamen dort zwei Betten für je 6,50 Euro. Wir hatten
wirklich Glück, achtzehn Pilger hatten vor uns die gleiche Entscheidung
getroffen, nach zwanzig Minuten war sie ausgebucht und an der Tür hing das
Schild »Completo«. Der Herbergsvater zeigte uns sein sehr sauberes Haus. Im
Erdgeschoss einen kleinen Schlafraum mit vier Betten, den Aufenthaltsraum und
die Küche.
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