Wir beide nahmen die Muschel
nahe. Kann das gut gehen? Es sah aus als würde die Welt
untergehen. Ein frischer Wind blies um unsere Nasen. Nur weiter, irgendwo
musste unser Ziel kommen. Der Weg nahm kein Ende. Viel zu viel Wasser hatten
wir mitgeschleppt. Bei diesem kühlen Regenwetter hatte man einfach keinen
Durst. Weit und breit waren keine anderen Pilger zu sehen. Bis zu unseren Ziel
kein Haus und kein Baum mehr. Sollten so vielleicht alle Tage werden, bis zum
Ende der Meseta? Oh mein Gott, ich darf nicht daran denken. Rechts vor uns goss
es in Strömen. »Helga lass uns schnell unsere Regenkleidung anziehen«, sie ging
einfach weiter. Zu oft war sie darauf reingefallen. Wir hatten Glück, die
Wolken zogen langsam und wir wurden verschont. Endlich nach sieben Stunden
erreichten wir Hornillos del Camino mit 69 Einwohnern. Dieser Ort war im
Mittelalter eine wichtige Pilgerstation mit mehreren Pilgerhospitälern und
einer im 12. Jh. gegründete Leprastation. Am Ortseingang gab es einen
plötzlichen Wolkenbruch, Wie ich ihn selten erlebt habe. Keine einzige
Unterstellmöglichkeit. In einer Zeit von zwei Minuten stand die Dorfstraße
total unter Wasser. Unter einem kleinen Dachvorsprung suchten wir Schutz,
leider ohne Erfolg. Wir gingen weiter. Das Wasser lief uns aus allen
Kleidungsstücken. Mein geliebtes Spanien, wie hast du dich zu deinem Nachteil
verändert! Am Ortseingang hatten wir einen kleinen Laden gesehen, welcher trotz
Sonn- und Feiertag geöffnet hatte. Leider war die einzige Gemeindealbergue mit
73 Betten ausgebucht. Wir bekamen ein Notquartier im alten Rathaus, ein kurzes
Stück weiter. Zum Glück gab es dort eine Toilette und eine Dusche. Viele Betten
standen sehr eng im Schlafraum. Es gab für jedem eine alte Pferdedecke zum
Zudecken. Einige elektrische Radiatoren standen im Raum. Helga probierte einen
aus und er wurde warm. Sie war wie immer sehr praktisch veranlagt. »Komm, wir
hängen unsere Wäsche hier auf, dann sind sie morgen vielleicht trocken. Dann
schau, dass wir etwas einkaufen können und buche das Abendessen im Lokal.«
Sofort gegenüber war eine Bar. Für 8,70 Euro wurde ein Pilgermenü ab 18:00 Uhr
angeboten. Eine Vorbestellung war leider nicht möglich. Es gab nur 16 Plätze im
Speisezimmer, wer zuerst kommt mahlt zuerst. Nun hatte ich Zeit, meinen Bericht
zu schreiben. Die billigste Flasche Vino Tinto kostete 2,00 Euro. Ich war
überrascht wie gut er schmeckte. Da kann ich meinen teuren Rotwein zuhause aber
vergessen. Bei so einem Wetter sitzt man natürlich nicht allein am Tisch. Neben
mir ein Ehepaar in meinem Alter. Wir kommen ins Gespräch. Wo kommst du her? Aus
Mönchengladbach! Was, aus Mönchengladbach, wo denn da? Aus Voosen! Was aus
Voosen, wir kommen aus Dorthausen. Das darf es doch nicht geben, nur 1,5 km von
mir entfernt, wie klein ist doch die Welt? Ich unterhalte mich mit einer
Österreicherin aus dem Ötztal, welches ich von vielen Urlauben kenne. Eine
Stunde später mit zwei jungen Französinnen. Der Camino ist international und
die Sprache ist dabei das kleinste Problem. Im Moment kommt hier der zweite
Wolkenbruch nieder, noch kräftiger und länger als der Erste. Ein Glück, dass
ich trocken sitze. Wer den Camino bei Sonnenschein geht hat Ferien, wer ihn bei
diesem Wetter geht, erlebt tausend Teufel. Wir beide haben diese Teufel erlebt.
Um 15:30 Uhr sollte das Lokal schon geschlossen sein. Alle wollen sich
aufwärmen, der Wirt lässt sich das Geschäft nicht dadurch gehen. Zwei sehr
nette Damen aus Amsterdam lerne ich kurze Zeit später an meinem Tisch kennen,
sie sprechen sehr gut Deutsch. Wir unterhalten uns über den Jakobsweg, welcher
über Roermond, Luxemburg, Frankreich nach Santiago führt. Ein französisches
Ehepaar setzt sich zu uns und wie unterhalten uns über die Kernschmelze in
Japan und über Gaddafi. Kinder wie die Zeit vergeht. Zum Schreiben bin ich kaum
noch gekommen. Leider konnte ich sonst nichts Näheres über das Weltgeschehen
erfahren. Drei Wochen fast ohne Fernsehen und keine Zeitung. Wir haben es nicht
vermisst. Eine Engländerin erzählt am Nebentisch laut über die Hochzeit des
Prinzen in London. Zum Glück haben wir nichts davon mitbekommen. Mensch, was
haben die Leute für Probleme. Ich freue mich auf morgen, über die freie Natur
in der Meseta. Meine Flasche Wein ist schon lange leer. Schon drei Stunden
sitze ich hier am Tisch und möchte keine Minute davon missen. Ein Pilger war
etwas später in diesen Wolkenbruch gekommen und zeigt mir in seiner Kamera
Bilder mit
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